In Case You Were Sleeping: Banking auf der Blockchain

In Case You Were Sleeping Banking auf der Blockchain

“Bitcoin will do to banks what email did to the postal industry.”

Rick Falkvinge

Key Takeaways

  • Schätzungen zufolge kontrolliert Coinbase etwa 4% aller Bitcoins, was mehr als 850’000 Stück wären. Der Vermögensverwalter Grayscale, Anbieter des «Bitcoin Trust», verwaltet rund USD 3 Mrd. an Kryptoanlagen. Bei BitGo sind es rund USD 2 Mrd..
  • PayPal hat sich bereits aus Facebooks Libra-Konsortium zurückgezogen. Auch Visa und Mastercard scheinen zögerlich. Die Leiter der Bank of England und der europäischen Zentralbank haben ihre grosse Besorgnis über Libra zum Ausdruck gebracht. Das Projekt scheint vorerst zum Erliegen gekommen zu sein.
  • Die US-Behörden ermitteln gegen ein deutsches Unternehmen, das eine angeblich mit Gold gesicherte Kryptowährung namens «KaratGold Coin» angeboten hat. Das Unternehmen hatte zuvor Goldprodukte verkauft und war bereits vor dem Eintritt in die Kryptowelt mehrfach von Behörden in Kanada, den Niederlanden und Namibia verwarnt worden.
  • Die Nachfrage nach Bitcoin sinkt. Die Anzahl an Adressen, von denen aus Nutzer Bitcoin an die grossen Börsen wie BitFinex und Binance senden, nimmt ab. Die Nachfrage nach Altcoins ist jedoch noch stärker eingebrochen. Altcoins haben den Krypto-Winter 2018 nie verlassen.

Libra stößt überall auf Widerstand

“We believe that no private entity can claim monetary power, which is inherent to the sovereignty of Nations.”  
French and German Governments

Während Bitcoin von Politikern und Notenbankern gerne abgetan und belächelt wird, haben sie sich auf Libra sofort eingeschossen. Das ist auch insofern interessant, da die Macher von Libra sich stark von Bitcoin und Ethereum haben inspirieren lassen.[1] Wo auch sonst sollten sie nach Ideen und Konzepten für eine Kryptowährung suchen. Wie dem auch immer sei, es herrscht auf staatlicher Seite offenbar große Angst vor einem freien Spiel der Kräfte am Währungsmarkt.

Besonders aktiv sind Frankreich, die USA und China. Alle aus verschiedenen Gründen. Paris hat während seiner Zeit als Vorsitzender der G7-Gruppe Libra auf die globale Agenda gesetzt und eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema «Stablecoins» einrichten lassen.[2] Notenbanker aus der ganzen Welt zeigen offen ihre Skepsis. Mark Carney, der Chef der Bank of England, sagte, dass Libra sich den «höchsten regulatorischen Standards» unterwerfen werde müssen. Der inzwischen aus dem Amt geschiedene Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, äußerte sich in einer Aussendung fast wortgleich. Auch die Finanzminister Frankreichs und der USA zeigten sich besorgt.

“U.S. lawmakers are calling for Facebook to halt Libra development.”  

The Block Crypto

Die staatlichen Akteure haben zwei Hauptsorgen: Facebooks Marktmacht sowie der drohende Verlust des staatlichen Währungsmonopols. Facebook kann schon im Alleingang auf ein Netzwerk von mehr als einer Milliarde Nutzer zurückgreifen. Dazu kommen mehr als 20 Partnerfirmen, die am Libra-Konsortium beteiligt sind. Ein gewaltiger Startvorteil. «Das ist einer der Gründe, warum die Regulatoren bei Libra so aufgebracht sind – anders als bei Bitcoin», sagte Zennon Kapron, Gründer und Direktor der Beratungsfirma Kapronasia, zu CNBC. Die Regierungen könnten schrittweise die Macht über die Geldpolitik verlieren.[3]

Und dabei geht es nicht nur um Zinsen und Inflationserwartungen, sondern um knallharte Machtpolitik, so Kapron: «Heute hat der US-Dollar viel Macht und die US-Regierung hat ebenfalls viel Macht, weil der Ölhandel in US-Dollar abgewickelt wird. Die US-Regierung kontrolliert auch, welche Banken mit dem US-Dollar arbeiten dürfen und hat daher eine Einflusssphäre, die es ihr erlaubt, die Richtung der globalen Wirtschaft und der globalen politischen Situation zu kontrollieren.»[4]

Erfahrene Krypto-Investoren sollten bei diesen Worten stutzig werden. Hätten dieselben staatlichen Akteure nicht schon bei Bitcoin nervös werden müssen. War es nicht die exakte Absicht von Satoshi Nakamoto, das staatliche Währungsmonopol zu untergraben?

Die Antwort ist ja. Aber anders als Bitcoin hat Libra eine Adresse und Hintermänner, die man im Kongress vorladen kann. Und genau das geschieht auch. US-Amerikanische Senatoren beider Parteien sind bei öffentlichen Anhörungen zum Thema extrem scharf mit Facebook ins Gericht gegangen. Der Tech-Konzern mit den ambitionierten Kryptoplänen bietet wegen seines ramponierten Images auch eine exzellente Zielscheibe für Politiker. Facebook sei wie ein «kleines Kind, das mit dem Feuer spielt», hieß es schon im Juli. «Glauben Sie wirklich, dass die Menschen Facebook mit ihrem hart verdienten Geld vertrauen sollten», fragte Sherrod Brown, der demokratische Senator aus Ohio rhetorisch. Seine Antwort: «Ich glaube, das ist einfach nur verrückt.»[5]

Facebooks Libra-Manager David Marcus verteidigte sich und versicherte, dass Libra keine Konkurrenz zu staatlichen Währungen darstellen wolle und dass man die Privatsphäre der Nutzer zu schützen gedenkt. Senator Brown forderte Facebook dennoch dazu auf, die Libra-Entwicklung einfach wiedereinzustellen. Man kann zusammenfassen: Staaten mögen Libra (und Bitcoin) nicht, weil sie das Währungsmonopol gefährden.[6]

Und nicht nur aus der Politik kommt Widerstand. Auch die Banken sind nervös. Denn – und das gilt gleichermassen für Libra und Bitcoin: Bevor Kryptowährungen das Geldsystem verändern können, müssen sie das Geschäftsmodell der Banken gefährden. Bei einem Meeting zwischen Bankenvertretern und der US-Notenbank Federal Reserve im September hieß es von den Banken: «Facebook könnte hier ein digitales Geldsystem außerhalb der kontrollierten Finanzmärkte schaffen, ein System an Schattenbanken. Wenn Konsumenten Libra nutzen, könnten immer mehr Einlagen in die Plattform fließen und die Liquidität im Markt reduzieren.»[7]

“Bitcoin ist immer noch zu instabil. 

UBS

Die Bankenvertreter haben offenbar den Teil im Libra-Whitepaper überlesen, in dem der Entstehungsprozess neuer Coins beschrieben wird. Ihre Sorge trifft zwar auf Bitcoin zu, dass tatsächlich ein vollkommen eigenständiges Geldsystem darstellt. Nicht aber auf Libra, denn dessen Coins sollen ja durch einen Korb an traditionellen Assets gedeckt werden. Vereinfacht gesagt: Je mehr Geld ins Libra-System fließt, desto mehr traditionelle Wertpapiere muss die Libra Foundation für ihre Reserve kaufen. Man kann zusammenfassen: Banken mögen Libra (und Bitcoin) nicht, weil sie das Geschäftsmodell gefährden.

Der Speziafall China

Einen Schritt weiter geht China. Dort sieht man auch eine Gefahr für die Kontrolle über die Bevölkerung durch den Staat. Peking hat Bitcoin längst im Visier, weil man generell eine Angst vor Kapitalflucht hat. Dass die laufenden Proteste in Hong Kong die Beliebtheit von Bitcoin in der ehemaligen britischen Kronkolonie in die Höhe getrieben haben, sorgt in Peking sicherlich für wenig Begeisterung.[8]

Aber die Reaktion ist vielsagend: Viel offener als andere Staaten bastelt China inzwischen an einer eigenen, staatlichen Kryptowährung. Bargeld ist im Riesenreich ohnehin verpönt. Eine solche Kryptowährung aus staatlicher Hand könnte den Weg in eine bargeldlose Gesellschaft zusätzlich beschleunigen. Angenehmer Nebeneffekt aus Sicht der kommunistischen Regierung in Peking: So eine digitale Staatswährung würde auch die totale Kontrolle der Bevölkerung erleichtern. Sogar in das orwellsche «Social Credit»- System der Volksrepublik könnte man es einbauen. Dazu kommt, dass China die Dominanz des US-Dollars zwar eindämmen möchte –aber nicht, indem man sich eine neue Währung aus US-amerikanischer «Produktion» ins Haus holt. Zusammenfassend kann man sagen: China mag Libra (und Bitcoin) wirklich nicht, weil die Kryptowährungen den chinesischen Bürgern Auswege für ihr Kapital bieten.[9]

“Facebooks Allianz für die umstrittene Digitalwährung Libra bröckelt mit dem Ausstieg wichtiger Partner.”

Manager-Magazin

Der Widerstand zeigt in jedem Fall Wirkung. Mit PayPal hat sich bereits ein namhafter Konzern aus dem Libra-Konsortium zurückgezogen. Auch die Kreditkartenriesen Visa und Mastercard sind angesichts des Drucks aus der Politik zunehmend nervös. Laut Wall Street Journal haben sie sich zuletzt geweigert, dem Projekt offen ihre Unterstützung auszusprechen – obwohl sie bereits Millioneninvestitionen für die Libra-Reserve zugesagt hatten.

Libra sollte laut Plan irgendwann im Jahr 2020 starten. Aber aus heutiger Sicht ist zumindest mit Verzögerungen zu rechnen, wenn nicht sogar mit der Entgleisung der Pläne.

König Bitcoin hängt Altcoins ab

Für Bitcoin-Anleger ist das alles ein Nebenschauplatz, eine Ablenkung. Aber aus dem Schicksal von Libra lassen sich wohl einige wichtige Schlüsse für die Zukunft des Kryptosektors ziehen. Zwar kann man die Macher von Bitcoin nicht vorladen, sehr wohl aber die von manch anderem Kryptoprojekt. Außerdem hat der Bitcoin-Preis bisher immer auf große Nachrichten zum Thema Libra reagiert. Und bei negativen Nachrichten ging es auch immer nach unten. Es gibt also einen Zusammenhang – auch wenn der vielleicht nur am Markt so gesehen wird.

Der hat sich zuletzt wieder deutlich abgekühlt. Die Preise für Bitcoin sind Ende September von rund USD 10’000 auf nur noch USD 8’000 abgestürzt. Der im April begonnene Anstieg ist gebremst – vielleicht sogar schon vorbei. Die Zahl der Adressen, von denen aus User Bitcoin an die großen Börsen Bitfinex und Binance schicken, befindet sich Daten des Londoner Analysehauses TokenAnalyst zufolge im Sinkflug. Man sehe hier ein Signal für «ein geringes Interesse von Kleinanlegern an Krypto», sagte TokenAnalyst Mitgründer Sid Shekhar. «Wenn wir erwarten, dass Bitcoin in unsicheren Zeiten die Rolle eines sicheren Hafens spielt, sollten diese Zahlen eigentlich raufgehen.»[10]

Hier legt der Experte den Finger in eine Wunde. Bitcoin ist es heuer nicht gelungen, seine Reputation als Hochrisikoasset abzulegen. Die Story vom angeblichen «sicheren Hafen» mag für Einzelpersonen und Familien in krisengeschüttelten Ländern wie Venezuela oder der Türkei zutreffen. Und in diesen Ländern kann man auch eine starke Akzeptanz von Bitcoin erkennen. Aber aus der Warte des globalen Marktes betrachtet, steht Bitcoin heute sicherlich noch nicht auf einer Stufe etwa mit Gold. Vielleicht ist das Asset auch einfach noch zu jung und muss sich diesen Status noch verdienen.

“It is clear that Bitcoin isn’s a safe haven asset today.”  

CoinDesk

Von Seiten der Altcoins geht derzeit definitiv keine Gefahr für «König Bitcoin» aus. Alts erleben 2019 ein andauerndes Blutbad. Die allermeisten konnten schon vom Bitcoin Anstieg nicht profitieren. Und jetzt, da es mit dem König bergab geht, müssen die Bauern erst recht leiden. Bitcoins Marktdominanz lag im Oktober bei 66 Prozent und damit auf dem Stand von März 2017. Wer sich die Marktkapitalisierung der Altcoins isoliert ansieht, also ohne Bitcoin, stellt fest: Hier wurde der Bärenmarkt wahrscheinlich nie verlassen. Man kann es nicht anders sagen: Wenn sich dieser Trend fortsetzt, ist mit einer (teilweisen) Zerstörung des Altcoin-Sektors zu rechnen. Das wäre für den Markt wahrscheinlich ein heilsamer Prozess, da immer noch viele Scams und betrügerische Projekte laufen dürften. Aber für das Image von Kryptos kann das nicht gut sein.     

Abbildung: Acht Coins machen 90% der Marktkapitalisierung aus

Acht Coins machen 90% der Marktkapitalisierung aus

Quelle: Coinmarketcap.com, Incrementum AG

Abbildung: Bitcoins Dominanz

Bitcoins Dominanz

Quelle: Coin.dance, Incrementum AG

In jedem Fall sind weitere Berichte über Scams und Warnungen an die Investoren zu erwarten. In den vergangenen Monaten haben wir die Implosion des PlusToken-Pyramidenspiels erlebt, das seinen Ausgang in Asien, wahrscheinlich in China, genommen hat. Die US-Behörden ermitteln indes gegen eine deutsche Firma, die mit «KaratGold Coin» eine angeblich goldgedeckte Kryptowährung angeboten hat. Die Firma hatte bereits davor Goldprodukte verkauft – und war mehrmals Gegenstand von Warnungen durch Behörden aus Kanada, den Niederlanden und sogar Namibia.[11]

In den USA stehen indes drei Männer vor Gericht, die im DarkWeb Drogen wie MDMA, Ketamin und Xanax gegen Bitcoin verkauft haben sollen. Das alleine ist sicherlich nicht neu. Aber im Vorfeld der Hauptverhandlung entschied das Gericht, nur zwei der drei Männer gegen Kaution frei zu lassen. Der mutmaßliche Anführer muss hinter Gittern auf seine Verhandlung warten. Warum? Weil er über ein beträchtliches Bitcoin-Vermögen verfügen dürfte – und das führe zu Fluchtgefahr, so das Gericht. Die Autoren der Website «The Block» fragen in diesem Zusammenhang: «Wann werden Kriminelle lernen, dass Bitcoin ein offenes Zahlungssystem ist, das jedermann nachverfolgen kann?» Die Antwort auf diese Frage würde uns auch interessieren.[12]

Was wird BAKKT bringen?

Es gibt aber nicht nur schlechte Nachrichten. Die von uns in den vergangenen Crypto Research Reports ausführlich dokumentierte wachsende Professionalisierung des Bitcoin-Marktes schreitet weiter voran. Neben Akteuren wie Coinbase und Fidelity spielt hier vor allem BAKKT eine große Rolle. BAKKT ist das Kryptoprojekt von Intercontinental Exchange, der Mutterfirma der New Yorker Börse. Abgesehen vom Vorstoß von Fidelity in den Kryptosektor gibt es wahrscheinlich kein Projekt mit mehr Tragweite. Am Markt wurden die von BAKKT versprochenen Bitcoin-Futures, die anders als jene der Chicago Mercantile Exchange (CME) «physisch» abgewickelt werden, geradezu sehnsüchtig erwartet. Der Start Ende September verlief dann aber enttäuschend. Am ersten Tag wurden bei BAKKT via Futures nur 72 Bitcoin gehandelt. Zum Vergleich: Am ersten Tag der CME-Futures Ende 2017 waren es 5’298.[13]

“Es ist zu früh um Bakkt abzuschreiben.”  

Wall Street Analyst

Abbildung: BAKKT vs. CME vs. CBOE (Handlesvolumen am ersten Handelstag in Millionen USD)

BAKKT vs. CME vs. CBOE (Handlesvolumen am ersten Handelstag in Millionen USD)

Quelle: BAKKT, CBOE, CME, The Block, Incrementum AG

Abbildung: BAKKT Handelsvolumen über einen Monat (In Million USD)

BAKKT Handelsvolumen über einen Monat (In Million USD)

Quelle: BAKKT, CBOE, CME, The Block, Incrementum AG

Einige Beobachter, darunter die Analysten von JP Morgan, machen den schwachen BAKKT-Start sogar für den tiefen Fall der Bitcoin-Preise in den darauffolgenden Wochen verantwortlich. Die Begründung: Miner und andere Besitzer von physischen Bitcoins könnten Shorts eingegangen sein, um sich gegen fallende Preise abzusichern. So gesehen war der Start der BAKKT-Futures tatsächlich eine selbsterfüllende Prophezeiung – allerdings aus Sicht der Shorter und nicht aus jener des breiten Marktes. Generell wissen wir aber, dass die Erwartungen der breiten Masse an den Märkten generell und an den Kryptomärkten im Speziellen selten erfüllt werden. Die weiter anhaltende Dominanz des «dumb money» von Retailinvestoren spielt hier eine wichtige Rolle.[14]

Wir halten es deswegen für angebracht, über die kurzfristigen Schlagzeilen und Preisbewegungen hinaus zu denken. Bei BAKKT geht es keineswegs nur um die Einführung von Futures oder einer weiteren Kryptobörse. Vielmehr bastelt die ICE hier an einer Komplettlösung für die Professionalisierung der Bitcoin-Märkte. Vereinfacht gesagt: Diese sollen so aufbereitet werden, dass auch institutionelle Investoren einsteigen können. Die Futures sind ein wichtiger Schritt, da die Preisfindung bei Bitcoin bis heute an den Spotmärkten stattfindet, was bei anderen Assets oder Rohstoffen unüblich ist. «Wir bei Bakkt glauben grundsätzlich daran, dass die Preisfindung in der Zukunft in einem vollständig regulierten Markt stattfinden wird», sagte Bakkt-COO Adam White, und fügte hinzu «Heute findet die Preisfindung in den Spot Märkten statt. Das wird auf die Futures-Märkte wechseln.»[15]

Aber es gibt noch einen zweiten Schritt, der aus der Sicht von Bakkt mindestens genauso wichtig ist: Custodianship.

Die Frage nach der professionellen Aufbewahrung von Bitcoins und anderen Kryptoassets im Namen von institutionellen Anlegern bleibt nämlich weiter unbeantwortet. Dieses Problem haben wir in früheren Ausgaben des Crypto Research Reports mehrmals beschrieben. Akteure wie BitGo, Coinbase Custody und Fidelity arbeiten an eigenen Lösungen. Und auch bei Bakkt, steht die Custody-Frage im Mittelpunkt. Hier setzt man vor allem auf den Standort New York, die Verbindung zur NYSE und die Erfahrung bei der Zusammenarbeit mit Regulatoren. Auf der Website von Bakkt heißt es, dass man einen neuen Standard bei der Aufbewahrung von digitalen Assets setzen will, indem man die Tools einsetzt, die auch für die Cybersicherheit der NYSE verantwortlich sind.[16]

Wer sich die Geschichte von Intercontinental Exchange und deren überraschende Übernahme durch die New Yorker Börse ansieht, weiss sofort, dass hier eine innovative und höchst ehrgeizige Mannschaft an der Arbeit ist. Mit Bakkt will man die Dominanz der NYSE auf den traditionellen Märkten offenbar für die Zukunft sichern. «ICE darf man nicht ignorieren», schreibt Frank Chaparro auf «The Block» – und damit hat er sicherlich recht.[17]

Aber in einem entscheidenden Bereich liegt Bakkt weit hinter anderen Akteuren. Zwar hat die Beliebtheit der Futures in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen und der eher peinliche erste Tag ist in Vergessenheit geraten. Aber Firmen wie Coinbase und BitGo haben längst große Mengen an physischen Bitcoin in ihren «Tresoren». Da hinkt Bakkt noch hinterher. Chaparro mutmaßt, dass Coinbase rund 4% aller Bitcoins kontrolliert, was mehr als 850’000 Stück ergebe. Der Asset Manager Grayscale, Anbieter des «Bitcoin Trust», betreut rund USD 3 Mrd. in Kryptoassets. Bei BitGo sind es USD 2 Mrd.

Noch kein ETF, aber die Notenbanken drucken wieder

Grayscale bleibt mit seinem «Trust» eines der wenigen Produkte, die die Bitcoin-Preisbewegungen für traditionelle Investoren abbilden. Zuletzt habe es eine starke Zunahme an Interesse durch institutionelle Investoren gegeben, hiess es kürzlich von Grayscale. Erstmals seit Monaten würde auch wieder Geld in Altcoins strömen.

Was es aber weiterhin nicht geben wird, ist ein Bitcoin-ETF. Die Gründe dafür werfen kein gutes Licht auf die aktuellen Kryptomärkte und erklären auch, warum Bakkt auf die Errichtung eines voll regulierten Futures-Marktes abzielt. Der ETF ist so etwas wie der heilige Grall für Bitcoin-Anleger. Diese börsengehandelten Fonds erlauben es Anlegern, in praktisch jeden Markt zu investieren. So wird etwa die Auflage des bisher größten Gold-ETF in den Nullerjahren gerne in Verbindung mit dem Anstieg des Goldpreises gebracht. Die Logik ist simpel und trifft auch auf Bitcoin zu: Wer einen ETF kauft, erspart sich die Sorgen um die Aufbewahrung (Custody) und die Sicherheit seiner Assets.

Aber die US-Wertpapieraufsicht SEC hat Mitte Oktober erneut einen ETF-Antrag abgelehnt. Jenen von Bitwise Asset Management. Einen Monat zuvor hatte sie dasselbe mit einem ETF-Antrag von VanEck getan. Die Begründung der SEC ist ein Schlag ins Gesicht jedes Bitcoin-Fans: Die Antragssteller hätten angegeben, dass «95 Prozent» des Bitcoin Spot-Marktes möglicherweise fake sein könnten, so die SEC. «Zudem ist es nicht gelungen, den echten Bitcoin-Markt zu identifizieren oder zu beweisen, dass dieser von betrügerischen oder manipulativen Aktivitäten abgegrenzt werden kann.» Der Antrag müsse daher abgelehnt werden, so die SEC.[18]

Es ist also im Interesse aller professionellen Player im Bitcoin-Sektor, schnellstmöglich einen regulierten Kryptomarkt zu schaffen. Das, woran Bakkt und andere arbeiten, scheint eine Grundvoraussetzung für die Weiterentwicklung von Bitcoin und Co. zu sein. Erst wenn es einen transparenten und legalen Markt gibt, der auch die Preisfindung übernommen hat, werden die Behörden einen Bitcoin-ETF genehmigen. Es könnte also noch Jahre dauern, bis wir so etwas sehen. Das würde auch erklären, warum große Player am ETF-Markt, wie Blackrock oder Vanguard, bisher kein Interesse am Bitcoin-Sektor zeigen. Und das, obwohl gerade am ETF Markt ein permanentes Wettrennen um den ersten Platz in einem bestimmten Sektor läuft.

Auch die bereits investierten Anleger dürften wissen, dass eine ETF-Entscheidung der SEC zwar für Schlagzeilen sorgt, aber aktuell keine fundamentale Bedeutung hat. Die Preise von Bitcoin, Ethereum und anderen Kryptoassets schossen nach dem negativen Bescheid Mitte Oktober nach oben.

Lockeres Geld ist gut für Bitcoin

Viele Analysten und Investoren blicken jetzt vor allem auf die Entwicklung der globalen Wirtschaft und der Geldpolitik. Die neuerlichen Lockerungen durch Zentralbanken in Europa und den USA werden allgemein als positiv für die Bitcoin-Preise interpretiert. «Wir wissen, dass eine lockere Geldpolitik historisch Bitcoin immer geholfen hat», sagte Joe DiPasquale, Chef von BitBull Capital zu Coindesk.[19] Auch die Analysten der Deutschen Bank sehen diesen Zusammenhang.[20]

“Es können nur noch drei Millionen Bitcoin gemined werden.”  

Anthony Pompliano

Es scheint, als hätte Bitcoin im Oktober wieder zu seinen Wurzeln zurückgefunden. Die Kryptowährung wurde vor mehr als einem Jahrzehnt als Alternative zu staatlichen Währungen eingeführt, als die Notenbanken die bis dato größten Lockerungen der Geschichte in Aussicht gestellt haben. Nach einer kurzen Phase der Normalisierung in den vergangenen zwei Jahren, hat die Angst vor einem Wirtschaftsabschwung zu einer neuen Runde an Lockerungen geführt. Diese Inflationierung der Wirtschaft treibt das Geld in die verschiedensten Anlageklassen: Aktien, Immobilien, Gold und auch Bitcoin. Es ist, wenn man so will, das globale Ausspielen eines Trends, den man in Krisenländern im Kleinen beobachten kann. Wenn die eigene Währung schwächelt, suchen die Menschen nach Alternativen. Anders als Facebooks Libra hat Bitcoin sich längst als eine solche Alternative etabliert. Und auch wenn die grundlegende Professionalisierung des Sektors noch lange dauern dürfte, wird Bitcoin von vielen Anlegern längst als seriöses Asset betrachtet, dass zumindest in einem Umfeld des billigen Geldes blühen und gedeihen kann. Ein Umfeld, das uns noch sehr lange bleiben dürfte.


[1] Vgl.” Libra White Paper Shows How Facebook Borrowed From Bitcoin and Ethereum,” Brady Dale, CoinDesk, 18. Juni 2019

[2] Vgl. “Paris will Facebook-Geld stoppen,” Oliver Grimm, Die Presse, 12. September 2019

[3] Vgl. “Facebook’s dream of a global cryptocurrency raises political stakes — for the regulators themselves,” Elizabeth Schulze & Saheli Roy Choudhury, CNBC, 25. August 2019

[4] Vgl. “Facebook’s dream of a global cryptocurrency raises political stakes — for the regulators themselves,” Elizabeth Schulze & Saheli Roy Choudhury, CNBC, 25. August 2019

[5] Vgl. “Libra’s Biggest Challenge May Be Facebook’s Tarnished Reputation,” Kurt Wagner, Bloomberg, 16. Juli 2019

[6] Vgl. “Facebook’s Crypto Plan Called ‘Delusional’ as Senate Digs In,” Robert Schmidt et al. Bloomberg, 16. Juli 2019

[7] Vgl. “American Banking Giants Sound Off Against Libra as Monetary Threat,” David Pan, CoinDesk, 3. Oktober 2019

[8] Vgl. “Hong Kong protests are accelerating bitcoin adoption,” Adriana hamacher, yahoo!finanace, 2. September 2019

[9] Vgl. “China’s Digital Currency Will Be Two-Tiered, Replace Cash: Binance”, William Foxley, CoinDesk, 29. August 2019

[10] Vgl. “Fewer People Are Sending Bitcoin to Largest Crypto Exchanges,” Olga Kharif, Bloomberg, 5. September 2019

[11] Vgl. “‘Gold-Backed’ Crypto Token’s Promoter Investigated by Florida Regulators”, Leigh Cuen, CoinDesk, 4. Oktober 2019

[12] Vgl. “Defendant’s sizable bitcoin transactions cited in drug defendant’s bail denial order,” Nelson Rosario, theblockcrypto.com, 6. Oktober 2019

[13] Vgl. “Bakkt Exchange’s Bitcoin Futures See Slow Start on First Day of Trading,” Sebastian Sinclair, CoinDesk, 23. September 2019

[14] Vgl. “JP Morgan Chase Pins Bitcoin Price Plunge on Bakkt and BTC Futures,” Daily Hodl Staff, THE DAILY HODL, 29. September 2019

[15] Vgl. “Calling Bakkt a ‘crypto exchange’ misses the mark on what they’re actually doing,” Frank Chaparro, theblockcrypto.com, 19. August 2019

[16] Vgl. “Bakkt.com – About”, Bakkt Staff, 11. Oktober 2019

[17] Vgl. “Calling Bakkt a ‘crypto exchange’ misses the mark on what they’re actually doing,” Frank Chaparro, theblockcrypto.com, 19. August 2019

[18] Vgl. “SEC not convinced a “real” Bitcoin market exists, denies Bitwise Bitcoin ETF,” Rakesh Sharma, Decrypt, 10. Oktober 2019

[19] Vgl. “Bitcoin Jumps to 3-Week High Near $8,600 as Fed Plans New Round of Reserve Increases,” Brad Keoun, CoinDesk, 9. Oktober 2019

[20] Vgl. “Bitcoin could be rising due to central bank easing, Deutsche Bank says | Street Signs Europe”, Jim Reid, CNBC International TV, 26. Juni 2019