Technische Analyse: Frühlingserwachen?

Technical Analysis

“Technische Analyse ist nicht der heilige Gral, sondern der beste Ansatz, um die hochkomplexen Märkte auf einen Blick zu erfassen.”

Florian Grummes

Key Takeaways

  • Technisch betrachtet befand sich der Bitcoin und damit auch der gesamte Krypto-Sektor bis Ende März 2019 definitiv in einem Bärenmärkt. Seit dem scharfen Ausbruch über 4.150 US-Dollar und dem Anstieg bis auf 5.330 US-Dollar ist die Lage nun aber nicht mehr ganz so eindeutig.
  • Momentan liefert der Fear & Greed Index zunehmend Warnsignale und deutet eine zu optimistische bzw. gierige Einstellung der Marktteilnehmer an. Der ideale Kaufzeitpunkt basierend auf der Sentimentanalyse liegt derzeit jedenfalls klar hinter uns.
  • Solange der Bitcoin die psychologische Marke von 6.000 US-Dollar nicht zurückerobern kann, bleibt jede Kurserholung nur eine Bärenmarktrally unterhalb der entscheidenden Widerstandszone.

Der Winter hat den Krypto-Sektor über ein Jahr lang fest im Griff gehabt. Geschockt von der Kälte hatten die allermeisten Glücksritter den Sektor zwischenzeitlich verlassen. In den letzten Monaten kam es jedoch zu einer ersten Bodenbildung sowie einer deutlichen Erholung. Diese hat den Preis für einen Bitcoin von den Tiefs bei 3.125 US-Dollar (Bitstamp) bereits um über 2.200 US-Dollar bzw. 70% ansteigen lassen.

Um im Bild der Jahreszeiten zu bleiben, stellt sich nun die Frage, ob es sich bei dieser starken Erholung lediglich um ein vorübergehendes Tauwetter oder tatsächlich um das langersehnte Frühlingserwachen handelt.

Rückblick

Als wir vor über einem Jahr vor dem Krypto-Winter und einem bitteren Bärenmarkt warnten, notierte der Bitcoin noch bei über 11.500 US-Dollar. Seitdem kannten die Notierungen trotz scharfer und profitabler Gegenbewegungen letztlich nur den Weg gen Süden. Spätestens mit dem Scheitern an der runden psychologischen Marke von 10.000 US-Dollar Ende April 2018 war die Serie tieferer Hochs eigentlich nicht mehr zu leugnen. Dennoch konnten sich die Bitcoin-Notierungen auch den Sommer über oberhalb von 6.000 US-Dollar halten. Erst im Herbst war diese extrem wichtige Unterstützung wirklich brüchig geworden, so dass der große Crash Mitte November nicht überraschend kam.

Überraschend hingegen war für uns die damals noch weit verbreitete Sorglosigkeit sowie die immer noch vorhandene Angst (FOMO), man könnte die nächste Aufwärtsbewegung verpassen. Offensichtlich leugneten die meist eher unerfahrenen Krypto-Anhänger bis zum November-Crash den Bärenmarkt bzw. wollten ihn einfach nicht wahrhaben.

Konsequenterweise führte der Durchbruch unter die Marke von 6.000 US-Dollar zu einer weiteren Halbierung der Preise. Erst seit Mitte Dezember und dem Tiefpunkt bei 3.125 US-Dollar ist eine Erholung zu beobachten. Mittlerweile notiert der Bitcoin zwar wieder über der Marke von 5.000 US-Dollar und hat damit eine erste Bodenbildung abgeschlossen, auf dem Weg nach oben warten jedoch zahlreiche harte Widerstände!

Parallel zur desolaten Preisentwicklung beim Bitcoin, mussten die meisten Altcoins Abschläge zwischen 80% und 100% von Ihren Hochs hinnehmen. Viele Projekte sind mittlerweile beerdigt worden. Vor allem Betrug und/oder miserables Management waren weitverbreitet und haben der Branche zu Recht einen zwielichtigen Ruf verschafft.

Eine derartig heftige Bereinigung nach einer epischen Blase birgt aber natürlich auch immer gewaltige Chancen. Nach der Krypto-Mania in 2017 trennte sich in 2018 die Spreu vom Weizen. Das vielversprechende Material wanderte langsam, aber sicher von den schwachen Händen (Kleinanleger) hin zu den starken Händen (professionelle bzw. institutionelle Anleger). Gleichzeitig arbeiten im Hintergrund weltweit hochmotivierte und spezialisierte Tech-Teams an der Weiterentwicklung zahlreicher Blockchain- und Krypto-Projekte. Früher oder später wird sich ein neuer Bullenmarkt einstellen, denn der technologische Fortschritt ist wohl oder übel nicht aufzuhalten. Und wie immer wird es dramatische Übertreibungen in Form von Blasen und dramatischen Einbrüchen geben. Gewinnbringend lässt sich die nächste große Aufwärtswelle aber nur mit einem radikal antizyklischen Ansatz erfolgreich spielen. Dazu eignen sich die aktuell deutlich gestiegenen Kurse allerdings sicherlich nicht!

Ist der Bitcoin tot?

Natürlich ist der Bitcoin nicht tot. Auch wenn die erste Krypto-Währung erst seit gut einem Jahrzehnt existiert, wurde der Bitcoin bereits unzählige Male für tot erklärt. In dieser Zeitspanne stieg der Wert eines Bitcoins jedoch von 0,003 US-Dollar bis auf zwischenzeitlich fast 20.000 US-Dollar an. Im Grunde genommen eine unglaubliche Erfolgsstory! Und auch bei Kursen von derzeit etwa 5.000 US-Dollar müssen Sie für ein Bitcoin immer noch fast das Vierfache wie für eine Unze Gold bezahlen.

Der Zusammenbruch des Krypto-Sektors sorgte „lediglich“ dafür, dass die schlechten Geschäftsmodelle knallhart aussortiert wurden. Ähnliches war nach dem Platzen der Dotcom-Blase Anfang 2000/2001 zu beobachten. Mehr als 75% der während des Internet-Booms in den späten 90iger Jahren gegründeten Tech-Unternehmen gingen damals pleite. Aber aus der Asche stiegen einige der größten und mächtigsten Unternehmen aller Zeiten hervor: Amazon, Google und eBay beispielsweise haben den damaligen Absturz nicht nur überlebt, sondern sind heute aus unserem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Die Aktienkurse dieser Unternehmen haben sich in den letzten 15 Jahren mehr als verhundertfacht. Ähnliches ist auf Sicht der nächsten zehn Jahre grundsätzlich auch für den Bitcoin, einige weitere Krypto-Währungen sowie diverse Blockchain-Firmen zu erwarten. Noch nicht geklärt ist auf Sich der nächsten ein bis zwei Jahre jedoch, ob die Bereinigung tatsächlich bereits abgeschlossen ist.

Natürlich ist die Marktkapitalisierung des gesamten Sektors mit derzeit ca. 160 Mrd. US-Dollar im Vergleich zu anderen Sektoren verschwindend gering und weit entfernt von den knapp 850 Mrd. im Januar 2018. Das tägliche Handelsvolumen hingegen konnte in den letzten Wochen wieder deutlich zulegen und übertrifft aktuell mit knapp 50 Mrd. US-Dollar die Höchststände vom Dezember 2017.

Sentiment kurz- und mittelfristig

Die Stimmungslage im Kryptosektor war Mitte Dezember 2018 auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Vor dem Crash im November waren viele Marktteilnehmer immer noch im „Denial-Modus“ und wollten den Bärenmarkt einfach nicht wahrhaben. Das hat sich mittlerweile sicherlich geändert und der Sektor könnte sich analog dem „Cycle Of Market Emotions“ womöglich bereits weitere Hoffnungsschimmer antizipieren. Sollte die Erholung der letzten Wochen jedoch nur eine Bärenmarktrally sein, befände wir uns in der Stimmungskurve immer noch vor der finalen Depression.

Da dieser „Cycle Of Market Emotions“ zwar generell sehr gut das Auf- und Ab zwischen Bären und Bullen bzw. die zugrundeliegende Verfassung der Marktteilnehmer umschreibt, fehlt allerdings die notwendige Schärfe, wenn es um exakte Trendwendepunkte und kurzfristige Einschätzungen geht.

Der sehr clever zusammengestellte Fear & Greed Index kann hier Abhilfe verschaffen. Der Index erreichte Mitte Dezember mit Werten von 10 einen mehrmonatigen Tiefststand. Wie in allen anderen Sektoren beruht die Preisfindung auch bei den volatilen Krypto-Märkten auf dem individuellen Verhalten unzähliger Marktteilnehmer. Dabei wird die große Mehrzahl der Kauf- oder Verkaufsentscheidungen sehr emotional getätigt. Insbesondere an großen mittelfristigen Wendepunkten lässt sich daher eine Überreaktion in Form von extremer Angst bzw. blinder Gier unter den Marktteilnehmer feststellen.

Der Fear & Greed Index setzt sich aus fünf verschiedenen Datenquellen zusammen und wird täglich automatisiert berechnet. Werte von 0 bedeuten extreme Angst, während der Maximalwert von 100 für extreme Gier und überbordenden Optimismus steht.

In die Berechnung des Index fließt zunächst die Volatilität mit 25% ein. Dabei kann man davon ausgehen, dass eine ungewöhnlich hohe Volatilität ähnlich wie auch an den Aktienmärkten ein Zeichen für einen ängstlichen Markt ist. Das Marktmomentum bzw. das Handelsvolumen steuert weitere 25% zur Indexberechnung bei. Darüber hinaus wird mit Hilfe von Schlagwörtern auf Twitter eine Social Media Komponente berechnet, die mit 15% in den Index einfließt. Wöchentliche Umfragen (15%) unter Krypto-Investoren sowie die Bitcoin-Dominanz (10%) im Vergleich zu den spekulativeren Altcoins werden ebenfalls quantitativ ausgewertet. Abgerundet wird der Index mit den verschiedene Bitcoin-Suchanfragen (Google Trends-Daten), die die letzten 10% zur Indexberechnug liefern. Als Beispiel sei hier die Abfrage „Bitcoin-Preismanipulation“ genannt, die eindeutig ein Zeichen für erhöhte Angst im Markt ist.

Momentan liefert der Fear & Greed Index zunehmend Warnsignale und deutet eine zu optimistische bzw. gierige Einstellung der Marktteilnehmer an. Der ideale Kaufzeitpunkt basierend auf der Sentimentanalyse liegt derzeit jedenfalls klar hinter uns.

Angemerkt werden muss noch, dass in einem Bärenmarkt selten eine extreme Euphorie zu beobachten ist. Sollte sie doch wie aktuell entstehen, muss sie eher als ein gutes Verkaufssignal gedeutet werden. Insbesondere da der Bitcoin charttechnisch bislang noch klar unterhalb der Widerstandszone um 6.000 US-Dollar notiert.

Der von Sentimenttrader herausgegebene Bitcoin Optimism Index (Optix) kommt aktuell zu einem ähnlichen Ergebnis. Auch hier liegen derzeit klar übertriebene Optimismus-Werte vor. Der psychologische Tiefpunkt der letzten Massenpanik wurde am 14.Dezember 2018 gemessen. Zur Berechnung werden hier die zukünftige Volatilitätserwartungen, der durchschnittlicher Abschlag eines nicht genauer spezifizierten Bitcoin Funds gegenüber seinem Nettoinventarwert sowie das allgemeine Preisverhalten herangezogen. Insgesamt empfiehlt die Sentiment-Analyse kurz- bis mittelfristig eine zurückhaltende bzw. bärische Haltung.

Technische Analyse: Mögliche Kursziele und Akkumulierungszone

Technisch betrachtet befand sich der Bitcoin und damit auch der gesamte Krypto-Sektor bis Ende März 2019 definitiv in einem Bärenmärkt. Seit dem scharfen Ausbruch über 4.150 US-Dollar und dem Anstieg bis auf 5.330 US-Dollar ist die Lage nun aber nicht mehr ganz so eindeutig.

Einerseits wurde die Abwärtstrendlinie der letzten sechzehn Monate klar nach oben aufgebrochen und seit dem Tief vom Dezember steht bereits ein Kursplus von über 70% zu Buche. Andererseits bewegt sich das Kursgeschehen weiterhin klar unterhalb der ehemaligen Unterstützungszone um 6.000 – 6.200 US-Dollar, während der Stochastik-Oszillator auf dem Wochen- und Tageschart völlig überkauft ist. Solange der Bitcoin die psychologische Marke von 6.000 US-Dollar nicht zurückerobern kann, bleibt jede Kurserholung nur eine Bärenmarktrally unterhalb der entscheidenden Widerstandszone.

Auf dem Tageschart konnte sich der Bitcoin Ende März aus seiner dreieinhalb Monate dauernden Bodenbildung befreien. Mit dem Anstieg über 4.150 US-Dollar kam es zu massiven Shorteindeckungen, welche die Notierungen fast senkrecht in die Höhe trieben. Das Kursziel aus dem aufsteigenden Dreieck wurde mit 5.330 US-Dollar im Prinzip abgearbeitet.

Da sich ganz kurzfristig ein weiteres aufsteigendes Dreieck abzeichnet, könnten die Bitcoinkurse in den kommenden Tagen und Wochen auch noch bis auf 5.700 – 5.800 US-Dollar ansteigen. Der Widerstand um 6.000 US-Dollar ist jedoch extrem stark und sollte keinesfalls unterschätzt werden.

Positiv ist natürlich die neu etablierte Serie höherer Tiefs zu bewerten. Negativ hingegen stimmt der stark überkaufte Stochastik-Oszillator. In jedem Fall wird die Luft jetzt mit jedem weiteren Anstieg immer dünner.

Der in Kürze anstehende Rücksetzer sollte mindestens bis an die immer noch fallende 200-Tagelinie (4.575 US-Dollar) führen. Möglicherweise fängt auch erst die steigende 50.Tagelinie den Rücksetzer auf. Die Konstellation der beiden gleitenden Durchschnitte deutet jedenfalls an, dass insgesamt noch deutlich mehr Konsolidierungsbedarf vorliegt.

Im großen Bild fehlt es daher noch an der klaren Trendwende. Auf Sicht der nächsten Monate sollte eher eine irritierende Seitwärtsphase eingeplant werden. Ähnlich wie zum Abschluss des letzten Bärenmarktes im Spätsommer 2015 wäre dabei ein finaler Ausrutscher unter 3.000 US-Dollar eventuell sogar 1.500 US-Dollar nicht vollständig auszuschließen. Erst im Anschluss wäre der Sektor dann für einen neuen Bullenmarkt bereit. 2019 dürfte also ein Jahr des Übergangs werden.

Sobald dem Bitcoin jedoch ein Wochenschlusskurs oberhalb von 6.200 US-Dollar gelingt, sind alle bärischen Zweifel ausgeräumt. Dann müssen wir davon ausgehen, dass die Korrektur bereits im Dezember endgültig ihr finales Tief gefunden hat und sich der Bitcon seitdem bereits in einer neuen Aufwärtswelle befindet. In diesem Fall gilt es jeden Rücksetzer zu kaufen (Buy The Dip).