Dieser Beitrag fasst die jüngsten Entwicklungen der Regulierung in Bezug auf die Ausgabe von Wertpapier-Token und Handelsplattformen für Wertpapier-Token in der Schweiz und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), zu dem insbesondere auch Liechtenstein gehört, zusammen.
Im September 2020 hat das Schweizer Parlament das Bundesgesetz über die Anpassung des Bundesrechts an die Entwicklungen der Distributed Ledger Technology (DLT-Gesetz) verabschiedet. Im selben Monat hat die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Strategie für das digitale Finanzwesen mehrere Gesetzesvorschläge angenommen. Beide Gesetzesinitiativen zielen darauf ab, die Rahmenbedingungen für DLT zu verbessern, indem sie die Rechtssicherheit erhöhen und gleichzeitig die Risiken für Investoren und das Finanzsystem minimieren.
Das Schweizer DLT-Gesetz wird die bestehende Gesetzgebung ändern. Für diesen Beitrag sind die Änderungen im Wertpapierrecht und bei der Regulierung von Handelsplattformen und Post-Trading-Infrastrukturen von Interesse. Die Schweiz wird Ledger-basierte Wertpapiere und DLT-Handelseinrichtungen einführen. Während die Bestimmungen, die die Einführung von Ledger-basierten Wertpapieren ermöglichen, am 1. Februar 2021 in Kraft getreten sind, werden die Bestimmungen zur Einführung des DLT-Handelssystems voraussichtlich am 1. August 2021 in Kraft treten. Das DLT-Gesetz wird durch die Blanket Ordinance in the Area of DLT (DLT-Verordnung) ergänzt, die Durchführungsbestimmungen enthalten wird.
Die Europäische Kommission hat vier Vorschläge angenommen: Die Verordnung über den Markt für Krypto-Assets (MiCA), die Verordnung über die Pilot-DLT-Marktinfrastruktur (PDMIR), die Verordnung über die digitale operationelle Widerstandsfähigkeit (DORA) und eine Richtlinie zur Änderung der bestehenden Rechtsvorschriften für Finanzdienstleistungen. Diese Vorschläge regeln nicht, ob Wertpapiere gültig auf der Grundlage von DLT ausgegeben werden dürfen, sondern überlassen dies dem nationalen Recht der EWR-Mitgliedstaaten. Für die Zwecke dieses Beitrags ist vor allem die PDMIR von Bedeutung, die eine Pilotregelung für DLT-Marktinfrastrukturen einführt. Die vorgeschlagene Gesetzgebung muss noch das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen, was 12 bis 24 Monate dauern und erhebliche Änderungen mit sich bringen könnte.
DLT-basierte Wertpapiere
Das Schweizer DLT-Gesetz führt ausdrücklich die Möglichkeit ein, Wertpapiere unter Verwendung von DLT zu emittieren. Diese neue Form von Wertpapieren wird als “ledger-basierte Wertpapiere” bezeichnet. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Gesetzgebung sieht eine solche neue Art von DLT-basierten Wertpapieren nicht vor.
Es wird jedoch klargestellt, dass Finanzinstrumente, einschließlich übertragbarer Wertpapiere, die unter Verwendung von DLT ausgegeben werden, der MiFID II unterliegen und folglich auch andere Finanzmarktvorschriften gelten werden, nämlich die Marktmissbrauchsverordnung, die Prospektverordnung, die Transparenzrichtlinie, die Leerverkaufsverordnung, die Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen und die Zentralverwahrerverordnung. Übertragbare Wertpapiere, die auf der DLT basieren, werden jedoch nicht in den Anwendungsbereich der MiCA fallen. Die vorgeschlagene MiCA ist weitgehend als subsidiäre Verordnung gedacht und nimmt mehrere Arten von Krypto-Vermögenswerten aus ihrem Anwendungsbereich aus, die bereits durch andere Verordnungen geregelt sind, wie z.B. Krypto-Vermögenswerte, die als übertragbare Wertpapiere und andere Finanzinstrumente gelten.
Schweiz
Das Schweizer Registerwertrecht ist eine neue Art von unverbrieften Wertpapieren, die als Alternative zu den bestehenden Bucheffekten dienen können. Bei beiden Arten handelt es sich um immaterielle Wertpapiere, die jedoch im Gegensatz zu den neuen ledger-basierten Wertpapieren ein reguliertes Institut wie eine Bank, eine Wertpapierfirma oder einen Zentralverwahrer (CSD) für die Erstellung und Übertragung benötigen. Um Ledger-basierte Wertpapiere zu schaffen, müssen die beteiligten Parteien eine Registrierungsvereinbarung abschließen oder eine Registrierungsklausel vereinbaren, und das Wertpapierbuch muss bestimmte Anforderungen erfüllen.
In der Registrierungsvereinbarung oder Registrierungsklausel muss festgelegt werden, dass die Rechte, die in den Wertpapieren zum Ausdruck kommen, in ein Wertpapierregister eingetragen werden und nur über dieses Register geltend gemacht und übertragen werden können.
Das Wertpapierregister muss gewährleisten, dass (i) die Gläubiger, nicht aber der Schuldner, die Verfügungsgewalt über die im Register eingetragenen Rechte haben, (ii) seine Integrität durch technische und organisatorische Mittel, wie die gemeinsame Verwaltung durch mehrere unabhängige Teilnehmer, um es vor unbefugten Änderungen zu schützen, (iii) die Aufzeichnung des Inhalts der Rechte, die Funktionsweise des Registers und die Registrierungsvereinbarung, (iv) dass die Gläubiger die relevanten Informationen und Registereinträge einsehen und die Integrität des Registerinhalts in Bezug auf sich selbst ohne Eingreifen eines Dritten überprüfen können.
Nach der ordnungsgemäßen Erstellung haben die Ledger-basierten Wertpapiere die gleichen Eigenschaften wie herkömmliche Wertpapiere. Die eingetragenen Rechte können nur im Hauptbuch geschaffen und übertragen werden, eine Partei, die im Register als Gläubiger eingetragen ist, gilt als Berechtigter des Rechts, und Dritte können sich auf das Eigentum an dem Recht, wie es im Hauptbuch wiedergegeben ist, berufen.
Der Schweizer Gesetzgeber hat auch eine Verbindung zwischen dem traditionellen Wertpapiermarkt und dem neuen Register für unverbriefte Wertpapiere hergestellt. Die neue Art von Wertpapieren kann als Grundlage für die Schaffung traditioneller Bucheffekten verwendet werden. Dadurch können die Rechte, die sich in den Registerwertpapieren widerspiegeln, in das System des traditionellen Wertpapiermarktes eingespeist werden. Zu diesem Zweck müssen die auf dem Register basierenden Wertpapiere an einen traditionellen, regulierten Verwahrer übertragen, einem Wertpapierkonto gutgeschrieben und im Wertpapierregister immobilisiert werden. Diese Möglichkeit könnte beispielsweise nützlich sein, um die im Wertpapierbuch reflektierten Rechte an einer traditionellen Börse zu notieren oder um die Rechte bankfähig zu machen und sie einem traditionellen Wertpapierkonto gutzuschreiben.
Wenn die Satzung des Unternehmens diese Möglichkeit vorsieht, können Aktien auch als buchmäßige Wertpapiere geschaffen werden. Das emittierende Unternehmen ist für die Auswahl der Technologie des Registers, auf dem seine Aktien erstellt werden, sowie für dessen Qualität und Sicherheit verantwortlich. Es muss auch sicherstellen, dass die Bedingungen für bestimmte Arten von Aktien eingehalten werden, z.B. sollte bei Aktien mit begrenzter Übertragbarkeit die Möglichkeit der Übertragung durch das Wertpapierbuch begrenzt werden.
Europäischer Wirtschaftsraum
Die folgenden Absätze fassen einige der diesbezüglichen Gesetzesinitiativen in den EWR-Mitgliedstaaten zusammen.
Frankreich hat eine DLT-Verordnung und ein DLT-Dekret eingeführt. Die DLT-Verordnung ermöglicht die Emission, Registrierung und Übertragung von nicht börsennotierten Aktien, Schuldtiteln und Anteilen an Fonds unter Verwendung von DLT anstelle von traditionellen Wertpapierkonten. Das DLT-Dekret legt die technischen Bedingungen fest, die das für die Registrierung der Wertpapiere verwendete verteilte Ledger erfüllen muss. Das Distributed Ledger muss (i) die Integrität der aufgezeichneten Informationen gewährleisten, (ii) die Identifizierung des Eigentümers der Wertpapiere sowie die Art und Anzahl der gehaltenen Wertpapiere ermöglichen, (iii) einen Plan zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs enthalten, der ein externes Datenaufzeichnungssystem umfasst, und (iv) dem Eigentümer von Wertpapieren den Zugriff auf seine Transaktionsabrechnungen ermöglichen. Wertpapiere, die in den Anwendungsbereich der DLT-Verordnung fallen und nicht an einem Handelsplatz gemäß MiFID II gehandelt werden, können in Frankreich bereits heute auf einem Distributed Ledger ausgegeben und gehandelt werden.
Am 6. Mai 2021 hat der deutsche Gesetzgeber das Gesetz über elektronische Wertpapiere verabschiedet, das unter anderem die Möglichkeit einführt, elektronische Inhaberschuldverschreibungen auszugeben. Die elektronischen Inhaberschuldverschreibungen können entweder über ein zentrales elektronisches Wertpapierregister oder über ein Kryptowährungsregister ausgegeben werden. Das Gesetz behandelt auch die dringendsten zivilrechtlichen Fragen. Vor allem durch die Definition von elektronischen Wertpapieren als “Waren” im Sinne des deutschen Sachenrechts finden die bestehenden zivilrechtlichen Grundsätze Anwendung. Es wird erwartet, dass zu einem späteren Zeitpunkt weitere gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen werden, um DLT-basierte Aktien und Anteile an Fonds einzuführen.
Im Januar 2021 hat der luxemburgische Gesetzgeber ein Gesetz verabschiedet, das die Ausgabe von dematerialisierten Wertpapieren über DLT-basierte Emissionskonten ermöglicht. Dieses Emissionskonto dient der Erfassung der Art und des Betrags der emittierten Wertpapiere und wird von einem “zentralen Kontoinhaber” geführt, der einer Finanzmarktlizenzpflicht unterliegt. Die Übertragung von DLT-basierten Wertpapieren ist bereits heute möglich, da lizenzierte kontoführende Institutionen Wertpapierkonten anbieten können, die auf einem verteilten Ledger betrieben werden.
Die Europäische Kommission hat nicht vorgeschlagen, eine neue Art von Wertpapieren auf der Grundlage von DLT einzuführen. Stattdessen wird die Form, in der Wertpapiere gültig emittiert werden können, durch die Gesetze des jeweiligen EWR-Mitgliedstaates geregelt.
1 Autoren: Silvan Thoma ([email protected]) / Martin Liebi ([email protected]), beide PwC Legal, Schweiz, beraten und haben mehrere Betreiber von digitalen Vermögenswerten bei den rechtlichen Aspekten der Emission von digitalen Vermögenswerten und der Einrichtung und Zulassung des Betriebs von multilateralen Handelssystemen beraten.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem über 90 Seiten umfassenden Security Token Report 2021, der vom Crypto Research Report und Cointelegraph Consulting mitherausgegeben wird. Der Bericht wurde von dreizehn Autoren erstellt und von Crypto Finance, Blocklabs Capital Management, HyperTrader, Ten31 Bank, Stadler Völkel Rechtsanwälte, Riddle&Code, Coinfinity, Bitpanda Pro, Tokeny Solutions, AlgoTrader, und Elevated Returns unterstützt.