Key Takeaways
- Der Preis von Bitcoin stieg nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani – genau wie Gold. Die Korrelation der beiden Assets ist so hoch wie schon lange nicht mehr. Das wirft die Frage auf, ob Bitcoin als digitales Gold in die 2020er-Jahre startet.
- Für das Jahr 2020 sind folgende Ereignisse und Trends zu
erwarten:
- Bitcoin wird stärker als Safe-Haven und als Fluchtwährung gesehen
- Das Halving im Mai steht kurz bevor. Kommt der Preissprung?
- Libra steckt in der Krise – springen Zentralbanken mit eigenen Währungen ein?
Erarbeitet sich Bitcoin gerade den Status als Safe Haven, als digitales Gold? Einiges spricht dafür, so liefert die Iran-Krise interessante Hinweise. Das Halving im Mai könnte auch helfen.
Bitcoin und der Iran-Konflikt
„Glück in der Krise? Iran-Konflikt könnte Bull Run (auf Bitcoin) triggern.“ BTC-ECHO |
Plötzlich machte der Bitcoin-Preis einen Sprung. Und dann noch einen. Schuld war die gezielte Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani am 3. Jänner 2020 durch die USA. Den zweiten Sprung machte der Bitcoin-Preis dann beim iranischen Gegenschlag gegen westliche Militärbasen im Irak. Zweimal hielt die Welt den Atem an. Zweimal schoss Bitcoin gemeinsam mit Gold nach oben. Und zweimal sah alles so aus, als ob in diesen beiden Momenten ein neuer „Safe Haven” geboren wurde. Ist Bitcoin also wirklich das neue, das digitale Gold?
Die Korrelation zwischen den beiden Assets war selten so hoch wie Anfang 2020. Einige Analysten sehen einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem glänzenden Metall und der digitalen Münze. Andere mahnen zur Geduld. Ein Event macht noch keinen „Safe Haven“. Und wieder andere verweisen auf den langfristigen Abwärtstrend des Bitcoin-Preises und darauf, dass beim Level von 7000 USD ohnehin eine Reaktion nach oben zu erwarten war – Iran hin oder her.
Aber die wachsenden Spannungen zwischen Washington und Teheran sind auch eine Bitcoin-Story. Es war nicht das erste Mal, dass die Kryptowährung sensibel auf ein politisches Ereignis reagiert hat, – und es wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Auch der Vergleich mit Gold ist zulässig: Denn in der täglichen Praxis der Iraner (oder der Venezolaner vor ihnen) spielen Gold und Bitcoin eine sehr ähnliche Rolle. Und Bitcoin ist nicht erst mit der aktuellen Zuspitzung der Lage im Iran angekommen. Kryptowährungen gehören dort längst zum Alltag.
Über seine Erfahrungen im Iran schreibt der Europäer Brian O’Hagan:
„Iran streicht vier Nullen bei Landeswährung.“ Handelsblatt.com |
„Menschen, die Ersparnisse in Rials besitzen, sehen ihre Kaufkraft jeden Tag schwinden. Sie suchen nach Möglichkeiten, ihren Reichtum zu schützen, und finden eine Zuflucht für das wenige Geld, das sie haben. Sie suchen nach Wertspeichern, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch zu überleben: Dollar oder Gold. Die Menschen im Iran wenden sich zunehmend auch Kryptowährungen zu, um sich vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu schützen und der finanziellen Repression zu entgehen. Und die Regierung merkt das.“[1]
Grafik 1: Inflationsrate Iran
Quelle: Reuters Eikon, tradingeconomics.com, Incrementum AG
Die US-Sanktionen erschweren iranischen Firmen und Privatpersonen schon seit Jahren den Handel mit dem Ausland. Dazu kommt eine hohe Inflation im Land, die die Kaufkraft der Iraner negativ beeinflusst. Perfekte Bedingungen für die breite Einführung von Bitcoin, was wir auch in Venezuela beobachten konnten. Eine weitere Parallele: Dank der extrem niedrigen Energiekosten ist das Mining in diesen Ländern deutlich günstiger als anderswo.
Was die offizielle Seite betrifft, zeigt sich der Iran sehr ambivalent. Das ist verständlich. Einerseits kann Bitcoin dabei helfen, die US-Sanktionen zu umgehen. Andererseits bedeutet das auch, dass die Bevölkerung einen Weg hat, Geld außer Landes zu schaffen. Das führt dann zu Auswüchsen wie einem deutlich überhöhten Bitcoin-Preis innerhalb des Irans. Im September 2018 gab es Berichte über einen iranischen Bitcoin-Kurs von fast 26.000 USD.[2]
„Nun fordert der iranische Präsident Hassan Rouhani eine Kryptowährung für die gesamte muslimische Welt, um sich weniger abhängig vom US-Dollar zu machen.“ Cryptomonday.de |
Wie China und andere US-Antagonisten hat das iranische Regime große Angst vor einer Kapitalflucht. Man hat den Banken des Landes daher verboten, sich im Kryptogeschäft zu betätigen. Beim Mining ist man pragmatischer. Die Industrie ist inzwischen anerkannt und es kann nicht einmal ausgeschlossen werden, dass das Regime selbst hier aktiv ist, um seine leeren Kassen etwas auf zu füllen.[3] Gleichzeitig arbeitet der Iran an einer staatlichen Kryptowährung – genauso wie Venezuela und China. Dazu später mehr.
Und nicht nur Teheran nimmt das Thema erst – auch Washington. Ende 2018 wurden die Iran-Sanktionen erstmals auf die Bitcoin-Wallets zweier Individuen ausgeweitet.[4] Selbst die New York Times war schon im Iran, um die dortigen Bitcoin-Minen zu besuchen: „Irans Wirtschaft wurde durch Bankensanktionen behindert, die ausländische Unternehmen effektiv daran hindern, im Land Geschäfte zu machen. Aber Transaktionen mit Bitcoin, die schwer nachzuvollziehen sind, könnten es den Iranern ermöglichen, internationale Zahlungen zu tätigen und gleichzeitig die amerikanischen Sanktionen für Banken zu umgehen.“[5]
„Bitcoin wird zum sicheren Hafen.“ Finanz und Wirtschaft.ch |
Das bringt uns zu den drei Megatrends für 2020:
- Bitcoin wird stärker als Safe Haven und Fluchtwährung gesehen werden – und immer öfter mit Gold verglichen.
- Das Halving wird massive Aufmerksamkeit bringen – aber nicht automatisch höhere Preise.
- Während Facebooks Libra-Projekt immer mehr Probleme bekommt, werden einige Zentralbanken staatliche Kryptowährungen lancieren.
Bitcoin als Safe Haven und Freund von Gold
In den ersten Tagen des Jahres konnte sich das Volumen an den Bitcoin-Märkten binnen einer Woche verdoppeln. Mitten in einem andauernden Bärenmarkt sahen Anleger und Fans einen Silberstreif am Horizont. Rund um die Eskalation der Spannungen zwischen dem Iran und den USA wurde Bitcoin als Safe-Haven-Asset gehandelt. Es ging mit Gold nach oben, die Korrelation war so stark wie seit Jahren nicht. Auch die Stimmung am Bitcoin-Markt hat sich dadurch verbessert, das Sentiment war nicht mehr schlecht, sondern neutral.[6]
Grafik 2: Vergleich des Bitcoin-Handelsvolumens Anfang 2019 und Anfang 2020
Quelle: coinmarketcap.com, Incrementum AG
Die meisten Analysten sind sich aber einig, dass eine einmalige Marktreaktion nicht ausreicht, um den Safe-Haven Status von Bitcoin zu validieren. Die Safe-Haven-Story muss noch weiteren Überprüfungen standhalten – und der vorherrschende langfristige Abwärtstrend wurde noch nicht gebrochen. Ein Analyst glaubt die Iran-Story überhaupt nicht und spricht von einer technisch bedingten Rallye.[7]
Wie dem auch sei, Vergleiche zwischen Bitcoin und Gold werden wir jetzt häufiger hören. Selbst Analysten von Bloomberg sehen in Gold sogar einen Proxy für den Bitcoin-Preis, weil sich die Assets so sehr ähneln. Beide sind knapp und eignen sich vor allem für die Wertspeicherung. Bitcoin hat den Vorteil des einfacheren Transports und dominiert in der digitalen Welt. Gold hat den Vorteil einer Geschichte, die über mehrere tausend Jahre geht – und dominiert in der realen Welt. Mehr zu den Ähnlichkeiten und Unterschieden erfahren Sie im Artikel „Streitgespräch Gold vs. Bitcoin“ in dieser Ausgabe.
Bloomberg lässt im gleichen Atemzug übrigens kein gutes Haar an Altcoins, deren Marktanteil weiter stagniert: „Die Tatsache, dass ein Wertspeicher mit festem Angebot und zunehmender Akzeptanz mit größerer Wahrscheinlichkeit an Wert gewinnen wird, wird Bitcoin auch im Jahr 2020 unterstützen. Wir erwarten, dass die Bewegungen des Goldes ein Proxy für Bitcoin bleiben werden. Der breitere Krypto-Markt ist von einer Umkehr der parabolischen Rallye von 2017 bedroht und hängt von der Entwicklung von Bitcoin ab, um Auftrieb zu erhalten. Unser Takeaway ist unkompliziert: Bitcoin gewinnt das Adoptionsrennen, insbesondere als Wertaufbewahrungsmittel in einem Umfeld, das unabhängige Quasi-Währungen begünstigt.“[8]
Grafik 3: Die Bitcoin Dominanz im Vergleich zu Altcoins über die Zeit
Quelle: coinmarketcap.com, Incrementum AG
Anders als Bitcoin selbst, das von seiner Knappheit profitiert, leiden die Altcoins unter einem ständig wachsenden Überangebot bzw. an oftmals nicht erfüllten Versprechen. Wir haben diesen Prozess bereits in unseren vergangenen Crypto Research Reports beleuchtet und sehen keine Änderung des Trends. Der Grund: „Zu viele Krypto-Assets, die um die Adoption konkurrieren, werden unserer Meinung nach die Marktpreise auf breiter Front nach unten verzerrt halten. Eine Zukunft mit steigenden Preisen für den breiten Altcoin-Markt ist unwahrscheinlich, solange das schnell wachsende Angebot nicht eingeschränkt wird bzw. die Use-Cases erfüllt werden. Im Jahr 2019 stieg die Anzahl der auf Coinmarketcap.com gelisteten handelbaren Krypto-Assets um rund 3.000.“[9]
Grafik 4: Anzahl Altcoins über die Zeit
Quelle: coinmarketcap.com, Incrementum AG
Bereits in der ersten Woche des Jahres konnte Bitcoin seinen Marktanteil um einen weiteren Prozentpunkt ausweiten, während sowohl Ether als auch XRP um 2,6 Prozent gefallen sind. Bemerkenswerterweise hatte die angespannte Lage im Iran aber einen positiven Effekt auf die anonymen Kryptowährungen Dash und Monero, die ihren Marktanteil um jeweils 15 Prozent ausweiten konnten. In unseren Augen ist das ein Indiz dafür, dass der Kryptosektor auch bei realen Events eine Bedeutung hat, und dass diese Coins nicht nur zu Spekulationszwecken gekauft werden.[10]
Diese Entwicklung, die Erfahrungen aus dem Iran und die Preisbewegungen Anfang 2020, belegen in den Augen der Bloomberg-Analysten deutlich, dass sich Bitcoin am Markt als Wertspeicher etabliert hat. Wieder drängt sich der Vergleich mit dem Gold auf. Anders als viele in der Crypto-Community sehen die Analysten Gold und Bitcoin auch nicht als Feinde, sondern als Freunde: „Der Goldpreis wird im Jahr 2020 weiter steigen und das sollte Bitcoin unserer Meinung nach auch tun. Die digitale Version des Metalls ist dabei, den schnellen Preisanstieg seiner Jugend zu konsolidieren. Bitcoins immer stärkeres inverses Verhältnis zum US-Dollar zeigt den Reifeprozess der neuen Quasi-Währung hin zu einer digitalen Version von Gold.“[11]
„Die (Peterson) -Korrelation zwischen Gold und BTC stieg auf 0,217, zuletzt gesehen im Oktober 2016.“ Coin News Telegraph.com |
Die Korrelation zwischen Bitcoin und Gold befand sich bereits seit Beginn 2019 in einem Aufwärtstrend und erreichte den Analysten von Arcane Research zufolge im Jänner 2020 jenen Höchststand, der zuletzt im Sommer 2016 zu beobachten war.[12]
Es gibt aber noch eine weitere Korrelation, die Bitcoin-Anlegern weniger Freude machen dürfte als jene mit Gold. Die Rede ist von Tether. Gleich zwei Studien sind in den vergangenen Monaten zu dem Schluss gekommen, dass der Bitcoin-Preis zumindest in der Vergangenheit sehr stark von der Entwicklung der Geldmenge der USD-Stablecoin abhängig war.[13]
Besonders drastisch sind die Vorwürfe der beiden US-Forscher John Griffin (University of Texas) und Amin Shams (Ohio State University). Sie haben einen Artikel verfasst, der beweisen soll, dass hinter dem gewaltigen Preisanstieg Ende 2017 nur Tether und die Börse Bitfinex gesteckt sind. Mit anderen Worten: Es hat sich um eine gewaltige Manipulation gehandelt. Griffin sagte zu Bloomberg: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass anstelle von Tausenden von Investoren, die den Preis von Bitcoin bewegen, nur ein einziger großer Investor vorhanden war. In einigen Jahren werden die Menschen überrascht sein, wenn sie erfahren, dass Investoren Milliarden an Menschen übergeben haben, die sie nicht kannten und die kaum beaufsichtigt wurden.“ Tether und Bitfinex bestreiten die Vorwürfe kategorisch.[14] Nun ist die Kontroverse rund um Tether keineswegs neu. Wir haben bereits mehrmals darüber berichtet und führen die Studie und die Vorwürfe hier der Vollständigkeit halber an. Eine Überprüfung der Vorwürfe war für uns bis zum Redaktionsschluss nicht möglich.
Das Halving als große Non-Story?
Eine weitere Story, die Bitcoin begleitet und heuer akut werden wird, ist die des Halvings. Bloomberg hat zu dem Event, das im Mai 2020 anstehen dürfte, Stimmen eingeholt. Das Fazit: Manche erhoffen sich Preisanstiege, andere halten das Halving für eingepreist und wieder andere sehen darin am ehesten eine Möglichkeit, über Bitcoin aufzuklären. Wir sind jedenfalls in diesem dritten Lager zu finden. Dass wir überhaupt wissen, dass die Zufuhr an frischen Coins heuer gedrosselt wird, ist ein großer Sieg für die Transparenz von Bitcoin. Genauere Informationen zum Halving finden Sie im Kapitel „Das „Plan B“-Modell: Heiliger Gral der Bitcoin Bewertung?“.
Wenn man sich die Kursentwicklungen im Kontext der vergangenen Halvings ansieht, versteht man schnell, warum sich viele Enthusiasten auf 2020 freuen: „Bei einem Halving werden Bitcoin ‚rewards‘ an die so genannten ‚Miner‘, die das Netzwerk am Laufen halten, um die Hälfte reduziert, und verknappen daher das künftige Angebot neuer Coins. Bei den vorherigen Halvings stieg der Preis im Jahr 2012 um etwa 8.000% und in den 18 Monaten nach dem Halving im Jahr 2016 um etwa 2.000%, so die von Bloomberg erhobenen Daten.“[15]
Nun hat Bitcoin inzwischen einen Markt für Optionen. Seit Januar 2020 handeln erstmals börsengelistete Optionen an einer anerkannten, hochregulierten Derivatebörse (CME). Aber auch andere OTC Optionsmärkte existieren. Und da ist für den Mai noch keine erhöhte Volatilität zu sehen. Ist also alles eingepreist? Was sagen die Profis?
„Im Gegensatz zu den meisten Bitcoinern sehe ich das Halving nicht besonders bullish. Ich bin der Ansicht, dass die meisten Leute mit einer Bitcoin-Position verstehen, dass das Angebot begrenzt ist, also sollte die Änderung keinen Unterschied machen. Außerdem ist das Halving perfekt vorhersehbar, so dass ich kaum glauben kann, dass das einen Informationsschock darstellt. Das Angebot von Bitcoin wird seit Jänner 2009 verstanden und folgt seither dem vorgeschriebenen Plan.“
Nic Carter, Mitbegründer von Coin Metrics in Boston
„Da Bitcoin oft durch Momentum beeinflusst wird und das Halving eine Transformation der Kryptowährung darstellt, würde ich schätzen, dass es einen positiven Einfluss auf den Preis haben wird.“
Dave Balter, CEO von Flipside Crypto
„Viele Marktteilnehmer haben sich die Frage gestellt, ob das Halving eingepreist ist? Das ist die falsche Art und Weise, die Frage zu stellen. Ein kleiner Promillesatz der Welt besitzt derzeit Bitcoin. Diejenigen, die derzeit Bitcoin besitzen, verstehen, dass das neu ausgegebene Angebot von Bitcoin alle vier Jahre halbiert wird. Das ist wahrscheinlich ein wichtiger Grund, warum sie es besitzen – wegen der nachweisbaren Knappheit von Bitcoin. Unter den vielen Milliarden Menschen auf der Welt, die Bitcoin nicht besitzen, verstehen nur wenige dieses nachweisbare Knappheitsmerkmal. Für diese Milliarden kann es also nicht eingepreist werden. In dem Maße, in dem diese Milliarden Menschen Bitcoin in der Zukunft entdecken und sich entscheiden, etwas davon zu kaufen, wird es weniger neue verfügbare Coins geben, um die gestiegene Nachfrage nach Bitcoin zu befriedigen.“
Travis Kling, Gründer des Hedge-Fonds Ikigai Asset Management, Los Angeles
Wir finden die Perspektive von Kling besonders interessant. Wie kann man von einem effizienten Markt ausgehen, wenn der Markt bisher nur so wenige Teilnehmer hat? Das Halving wird den Medien in jedem Fall die Möglichkeit geben, auf die positiven Seiten von Bitcoin hinzuweisen und die Funktionsweise der Ur-Kryptowährung noch einmal genau zu erläutern. Das könnte das Bitcoin-als-Safe-Haven-Narrativ zusätzlich stärken und die Altcoins weiter schwächen.
Es wäre aber auch der perfekte Zeitpunkt für einen staatlichen Akteur, um das Feld der Kryptowährungen zu betreten. Auch wenn das mit Bitcoin an sich nicht viel zu tun hat. Oder?
Die Zentralbanken kommen
„Die Vorbereitung für die e-Krone ist weit fortgeschritten.“ BusinessInsider.de |
Wer die Bemühungen der Zentralbanken im Krypto-Bereich klein redet, könnte wichtige Punkte übersehen. Es stimmt zwar: Weder China noch die Eurozone oder Schweden planen eine echte Konkurrenz zu Bitcoin. Ihre digitalen Währungen werden eben das sein: Währungen und keine digitalen Wertspeicher. Staatliche Kryptowährungen, die auch staatliche Überwachung ermöglichen, könnten manche User sogar in die Arme von Bitcoin, Dash und Monero treiben, die zumindest teilweise Anonymität garantieren. Aber:
„Die Politik versucht, diesen Wettbewerbsvorteil für nichtstaatliche digitale Währungen zu zerstören, indem sie diese weniger sicher macht. Die Regierungen investieren stark in eine Technologie, die eines Tages – theoretisch – die Public-Key-Kryptographie, auf der Bitcoin basiert, knacken könnte: Quantencomputer. Die Trump-Regierung hat 1,2 Milliarden USD für dieses Vorhaben bereitgestellt. Auch China ist aktiv.“[16]
Besonders perfide geht China vor. Im November 2019 sorgte Staatspräsident Xi sogar für einen 30-prozentigen Anstieg der Bitcoin-Kurse, weil er positiv über die Blockchain gesprochen und das staatliche Interesse an der Technologie bekundet hatte:
“Die Ironie ist auffällig, wenn man die anarchischen Ursprünge von Bitcoin betrachtet. Die Zukunft des digitalen Geldes wird zunehmend von nationalen Regierungen gestaltet. Die Politiker stehen unter dem Druck, den elektronischen Zahlungsverkehr effizienter zu gestalten, die Bedrohung ihrer Souveränität durch Kryptowährungen zu neutralisieren und gegen illegale Geldströme vorzugehen. Nichts davon ist eine gute Nachricht für die wahren Jünger der Blockchain.“[17]
Chinesische Medien berichten indes, dass die staatliche Kryptowährung fast fertig ist. Wie genau dieser digitale Yuan aussehen soll und wann er starten soll, ist allerdings weiterhin unklar. Berichten zufolge arbeitet China bereits seit 2014 an dem Projekt. Die Währung soll wie jene in Papierform über die Geschäftsbanken in Umlauf gebracht werden. Nutzer können dann bei diesen Banken Konten anlegen und den Krypto-Yuan nutzen. Erste Pilotprojekte sollen in Shenzhen und Suzhou starten.[18]
„Die Schweiz kann Libra in der vorliegenden Form nicht bewilligen.“ Bundesrat Ueli Maurer |
Es ist eine gewisse Ironie, dass ausgerechnet Mark Zuckerberg vor genau dieser Entwicklung gewarnt hat. Wenn sich der Westen nicht offen zeigt für neue Blockchain-Projekte wie seine Libra-Coin, werde China auf diesem Gebiet die Vorreiterrolle einnehmen, so Zuckerberg vor dem US-Kongress: „China arbeitet mit Hochdruck daran, in den kommenden Monaten eine ähnliche Idee umzusetzen. Wir können nicht hier sitzen und davon ausgehen, dass Amerika, weil es heute führend ist, immer führend sein wird, wenn wir nicht innovativ sind.“[19]
Zuckerberg sieht Libra als westliches Gegenstück zu Chinas Plänen, wo die Kryptowährung mit der engmaschigen Überwachung der Bevölkerung kombiniert werden soll. Aber Libra wird im Westen stark behindert. Die Skepsis ist in den USA und in Europa sehr groß. Zuletzt hat sich auch die Schweiz dem Druck gebeugt. Libra werde auf absehbare Zeit keine Bewilligung erhalten, das Hauptquartier seines Konsortiums in der Schweiz aufzuschlagen, so die Regierung. Der Status des Projekts ist offen, seine Zukunft weiter ungewiss.[20] Zuletzt sind einige der wichtigsten Unterstützer abgesprungen: Mastercard, Visa, E-Bay und Stripe.[21]
Gleichzeitig arbeiten aber laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) fast drei Viertel aller internationalen Zentralbanken an irgendeiner Form von Digitalwährung.[22] Aber: Erst fünf Projekte sind in der Pilotphase. Dass übermorgen ein digitaler Euro oder das digitale Pfund eingeführt werden, ist höchst unwahrscheinlich. Zwar haben einzelne Länder in Europa wie etwa Schweden bereits große Schritte am Weg in die bargeldlose Gesellschaft getan – und sind deswegen an einer staatlichen Kryptowährung sehr interessiert. Aber auch die so genannte „E-Krona“ lässt weiter auf sich warten.
In der EU setzt man bisher auf die Weiterentwicklung der bestehenden Systeme. Diese seien für den vorliegenden Use-Case auch besser geeignet, so das Fazit. Es gibt aber ein gemeinsames Krypto-Projekt, das die EZB mit der Bank of Japan betreibt: „Projekt Stella“. Als Einzelstaat will sich Frankreich besonders prominent positionieren und 2020 eine Digitalwährung „testen“. Mehr wird daraus aber kaum werden, denn Frankreich darf als Euro-Mitglied keine eigene Währung einführen.[23] Auch der deutsche Bankenverband hat sich in einem Positionspapier Ende Oktober für eine europäische Digitalwährung ausgesprochen.
Innerhalb der BIZ wird ebenfalls ein Franzose das digitale Zepter führen: Der ehemalige EZB-Mitarbeiter Benoît Cœuré leitet eine neue Abteilung, die öffentliche Alternativen zu Projekten wie Libra entwickeln soll. „Die erste Aufgabe von Herrn Cœuré, der im Jänner seine Stelle antritt und eine fünfjährige Amtszeit absolvieren wird, wird darin bestehen, in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Nationalbank eine digitale Zentralbankwährung für den Großhandel zwischen den Banken zu schaffen, die durch die so genannte Distributed-Ledger-Technologie (DLT) abgesichert ist.“[24] Und die EZB will sich Pläne für einen digitalen Euro zurecht legen, wenn der private Sektor es nicht schafft, internationale Überweisungen günstiger und schneller durchzuführen.[25]
Fazit
„Facebook hat 2,4 Milliarden aktive Nutzer. Und es plant eine eigene Digitalwährung namens Libra. Politiker in Europa – auch Deutschlands Finanzminister – fürchten um ihre Währungsmacht.“ Zeit.de |
Bei den Bemühungen der Zentralbanken zeigt sich eines sehr deutlich: Aus einer ökonomischen Perspektive geht es nicht um Bitcoin. Es geht um die Gefahr des Verlustes des Währungsmonopoles, die von Libra ausgeht. Es geht um die Möglichkeiten, bei der Bargeldlogistik zu sparen. Und es geht – leider – um die Überwachung der Bürger.
Vor diesem Hintergrund sollte Bitcoin eigentlich fruchtbaren Boden finden, auf dem ein neuer Bullenmarkt gedeihen kann. Die Erzählung von Bitcoin als Wertspeicher, als „digitales Gold“, wird mit jeder Krise glaubwürdiger. Sie ist auch simpler und besser verdaulich für die breiten Massen als der Hype um die Blockchain, aus dem außer Bitcoin selbst noch nicht viel Brauchbares hervorgegangen ist.
Die
Kombination dieser Faktoren sollte Bitcoin eigentlich ein gutes Jahr bescheren.
Auch wenn wir natürlich nicht wissen, wann genau der preisliche Abwärtstrend
wirklich vorbei ist. In den Tagen nach der kurzen Iran-Krise, als der Goldpreis
längst wieder am Weg nach unten war, ging es für den Bitcoin-Preis jedenfalls
weiter nach oben. Ein Lebenszeichen, wenn man so will. Von einem Markt, der
immer noch in seinen Kinderschuhen steckt. Das darf man nicht vergessen. Just
rund um den letzten Sprung auf über 9.000 USD pro Bitcoin berichtete das
öffentliche Fernsehen in Deutschland über die Einführung von Bitcoin-Optionen
bei der Börse CME, sogar mit einem positiven Unterton. „Bitcoin erreicht den
Mainstream“, lautet die Schlagzeile.[26] Wir teilen diese Meinung. Schon
lange.
[1] https://hackernoon.com/how-donald-trump-is-helping-bitcoin-grow-in-iran-331ee7445bd8
[2] https://hackernoon.com/why-is-bitcoin-trading-at-a-253-premium-price-in-iran-45f9a2f30017
[3] https://www.aljazeera.com/ajimpact/iran-government-recognises-cryptocurrency-mining-caveat-190804193912792.html
[4] https://home.treasury.gov/news/press-releases/sm556
[5] https://www.nytimes.com/2019/01/29/world/middleeast/bitcoin-iran-sanctions.html
[6] Arcane Research Weekly Update 2/2020
[7] https://www.ccn.com/bitcoin-price-bounce-has-nothing-to-do-with-iran-situation/
[8] Bloomberg Crypto Outlook – January 2020 Edition
[9] Bloomberg Crypto Outlook – January 2020 Edition
[10] Arcane Research Weekly Update 2/2020
[11] Bloomberg Crypto Outlook – January 2020 Edition
[12] Arcane Research Weekly Update 2/2020
[13] https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-10-03/bitcoin-gains-correlate-with-tether-issuance-researcher-says?srnd=technology-vp
[14] https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-11-04/lone-bitcoin-whale-likely-fueled-2017-price-surge-study-says
[15] https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-01-08/bitcoin-halvening-isn-t-until-may-but-nothing-else-matters-now?srnd=cryptocurrencies
[16] https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2019-11-04/bitcoin-s-government-enemies-will-have-their-sweet-revenge
[17] https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2019-11-04/bitcoin-s-government-enemies-will-have-their-sweet-revenge
[18] https://www.theblockcrypto.com/linked/52616/chinas-central-bank-says-it-has-completed-top-level-design-of-digital-currency
[19] https://cointelegraph.com/news/libra-could-serve-as-counter-to-chinese-digital-currency-says-zuckerberg
[20] https://www.nzz.ch/schweiz/bundesrat-maurer-libra-hat-derzeit-keine-chance-auf-bewilligung-ld.1530913
[21] https://www.ft.com/content/a3e952dc-ec5c-11e9-85f4-d00e5018f061
[22] https://www.ledgerinsights.com/bis-70-percent-central-bank-digital-currency-cbdc/
[23] https://www.derstandard.at/story/2000111883615/frankreich-will-ab-2020-digitalwaehrung-testen
[24] https://www.ft.com/content/c7739de6-03e7-11ea-a984-fbbacad9e7dd?sharetype=blocked
[25] https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-12-04/ecb-says-own-digital-euro-may-be-answer-if-payment-efforts-fail?srnd=premium-europe
[26] https://boerse.ard.de/anlageformen/kryptowaehrungen/bitcoin-erreicht-den-mainstream100.html