Ist das Stehlen von Bitcoin legal?

Ist das Stehlen von Bitcoin legal

Bitcoin ist eine Technologie, die erst seit 12 Jahren existiert und innerhalb kurzer Zeit enorm an Bedeutung gewonnen hat. Daher herrscht in vielen Punkten auch noch Verwirrung, von ihrem wirtschaftlichen Status, über ihren monetären Status, bis hin zu ihrer langfristigen Rentabilität.

Ein bislang nur wenig untersuchter Aspekt ist Bitcoins Rechtsstatus, konkret, wie kann Eigentum an Bitcoin (oder auch andere Kryptowährungen) determiniert werden? 

Die Beantwortung dieser Frage ist uns aus dem Grund wichtig, weil die Regulierung von Bitcoin unter zunehmender Kontrolle steht. Wenn die zuständige Regulierungsbehörde gewusst hätte, dass das erste Flugzeug in der Lage ist, schneller als Lichtgeschwindigkeit zu fliegen, dann ist es wahrscheinlich, dass sie Regulierungen eingeführt hätte, die zur Lahmlegung der Industrie geführt hätten.

Daher ist es wichtig, dass sich alle einig sind, wenn es um die Grundlagen von Bitcoin geht, damit es nicht zu unnötig verwirrenden, widersprüchlichen und industriezerstörenden Regulierungsmustern kommt.

Bevor wir beginnen können, die Frage zu beantworten, wie Eigentum an Bitcoin determiniert werden kann, müssen wir zunächst verstehen, was Eigentum bedeutet, wie Bitcoin funktioniert und dann beide Konzepte miteinander verbinden. Die kurze Antwort ist: Es ist kompliziert, aber man könnte argumentieren, dass niemand ein Eigentumsrecht an Bitcoin hat.

Zunächst müssen wir daher prüfen, was Eigentum bedeute. Das Wort Eigentum hat zwei Bedeutungsdimensionen: eine wirtschaftliche und eine rechtliche. Wirtschaftlich betrachtet bezieht sich Eigentum auf den Besitz einer Sache—das Vermögen, über eine Sache frei zu verfügen. Rechtlich betrachtet bezieht es sich dagegen auf bestimmte, damit verbundene Rechte und Pflichten. Man muss über eine Sache nicht frei verfügen können, um sie rechtlich zu besitzen.

Auch Ludwig von Mises, ein angesehener österreichischer Ökonom, wies in seiner 1922 erschienenen Publikation Socialism: An Economic and Sociological Analysis auf diese Unterscheidung hin:

„Die Eigentumsbegriffe der Soziologie und der Rechtslehre sind somit verschieden. Das ist übrigens selbstverständlich, und man kann nur darüber staunen, daß es noch immer mitunter übersehen wird. Für die soziologische und nationalökonomische Betrachtung ist Eigentum jenes Haben der Güter, das die wirtschaftlichen Zwecke der Menschen erfordern… Das Recht kennt Eigentümer und Besitzer, die das natürliche Haben entbehren, die nicht haben, aber haben sollten. Für das Recht bleibt der Bestohlene Eigentümer, kann der Dieb niemals Eigentum erwerben. Doch wirtschaftlich ist nur das natürliche Haben von Belang, und die wirtschaftliche Bedeutung des rechtlichen Habensollens liegt allein in der Unterstützung, die es der Erlangung, Erhaltung und Wiedergewinnung des natürlichen Habens leiht.”

Die Unterscheidung lässt sich anhand eines Beispiels verdeutlichen: Ihr Auto gehört auch dann zu Ihrem rechtlichen Eigentum, wenn Sie es für eine Stunde einem Freund leihen. Ihr Freund ist in dieser Zeit jedoch der wirtschaftliche Eigentümer des Autos. Sollte Ihr Freund Ihnen das Auto nicht in innerhalb der verabredeten Zeit zurückgeben, können Sie rechtliche Schritte wegen Diebstahls gegen ihn einleiten.

Jedoch es gibt auch Sachen, die kein Eigentum sein können. Wirtschaftlich betrachtet ist es nicht möglich, Eigentümer einer nicht-physischen Sache zu sein. Wenn wir über das „Manipulieren von Meinungen“ sprechen, meinen wir damit eine Metapher. Meinungen, Informationen, Muster usw. sind nicht-physischen Dinge und somit nicht rar. Da sie nicht rar sind, können sie auch nicht zum Gegenstand von Ökonomisierungsmaβnahmen werden: So ist es nicht notwendig, die Meinung zwei plus zwei ist vier, zu ökonomisieren, da unzählig viele Menschen diese Meinung teilen können.

Des Weiteres ist es wichtig festzuhalten, dass wirtschaftlicher Besitz nichts mit „Wert“ zu tun hat. Wert kann sowohl materiellen als auch immateriellen Dingen zugeschrieben werden. Diamanten sind wertvoll, aber ebenso das Gefühl von Erfolg. Eine Mücke hat dagegen wenig Wert, genauso wie der Gedanke einer alternativen Relität, in der alles gleich ist, auβer dass wir nun blau für rot halten und rot für blau.

Auf gleiche Weise hat rechtliches Eigentum nichts mit Wert zu tun. Sie können rechtliches Eigentum in Form von Dingen mit geringem Wert besitzen, beispielsweise einen Stapel alter, eingestaubter Zeitungen. Gleichzeitig düfte es Ihnen rechtlich verboten sein, Eigentümer von raren, sehr wertvollen Gütern, beispielsweise der Meeresoberfläche, zu sein.

Der Schlüssel zur Bestimmung, ob etwas wirtschaftliches Eigentum sein kann, ist daher ausschlieβlich die Antwort auf die Frage, ob es sich um eine materielle oder immaterielle Sache handelt. Andererseits, solange das Gesetz wirtschaftlichen Gütern Rechte nur in einem fundamentalen Sinn zuschreiben kann (Wie kann man ein Recht an einer Sache haben, die man physisch nicht kontrollieren kann?), erklärt das Gesetz ein scheinbares Recht an allem.

Manche halten diese Diskussion vielleicht für akademische Haarspalterei, aber statt strenger Definitionen und Logik hätten wir im Ergebnis nur die Analyse von Metaphern, Vergleichen und Redewendungen—in anderen Worten Fantasiegeschichten anstatt einer ernsthaften Betrachtung der Realität. Wenn diese Verwirrung dann auf Kryptowährungen angewendet wird, kann es zu ernsthaften Probleme kommen. Da alle Metaphern imperfekt sind, führen schlechte Metaphern zu schlechten Argumenten zugunsten schlechter Regulierungen und damit zu schlechten Ergebnissen.

Daher ist es notwendig, das Schwert der logischen Konsistenz gegen den chaotischen Drachen der Analogie zu schwingen. Bewaffnet mit dieser neuen Terminologie können wir uns nun der Untersuchung widmen, was es bedeutet, Eigentümer einer Bitcoin zu sein.


Eine Bitcoin ist keine konkrete, eigenständige, phyische Sache. In erster Linie ist sie ein Informationsmuster und (genauso wichtig) wird in einem virtuellen Distributed Ledger gespeichert. Das heiβt, der Ledger ist über Millionen Computer verteilt, die Updates zu Änderungen in diesem Ledger über das Internet miteinander austauschen.

Damit wissen wir, dass Bitcoin kein wirtschaftliches Eigentum sein kann. Selbst wenn Sie über ein „Paper Wallet“ (oder auch „physisches Wallet“) verfügen, ist das Paper nicht Ihre Bitcoin. Wenn sich das Wallet auf Ihrem Computer befindet, dann ist es am einfachsten, die Metapher zu verwenden, dass sich Ihre Bitcoin „in“ ihrem Computer befindet. Ihre Bitcoin ist allerdings ein Informationsmuster; Anweisungen an einen Computer.

Des Weiteren können Sie nicht vollkommen frei über Ihre Bitcoin entscheiden: Sie benötigen das Einvernehmen der anderen Knoten im Netzwerk. Diese anderen Knoten sind andere Personen, die ihre eigenen Computer in ihrem eigenen Haus auf ihrem eigenen Grund benutzen und die sich überall auf der Welt befinden können. 

Weder ihre Computer, ihr Haus, ihr Grund, noch die Personen selbst sind Ihr phyisches Eigentum. Eigentum an Bitcoin in irgendeiner Weise würde das wirtschaftliche Eigentum an den Computern, Häusern, Grundstücken und sogar dem Verstand anderer Personen voraussetzen.

Was würde das rechtliches Eigentum an Bitcoin bedeuten? Um oben bereits Gesagtes zu wiederholen: Rechtliches Eigentum gibt Ihnen bestimmte Rechte und anderen bestimmte Pflichten, d. h. es geht um die Rückgabe eines wirtschaftlichen Eigentums an den rechtlichen Eigentümer.

Gehen wir einmal davon aus, Sie besitzen eine Bitcoin, welche in einem Wallet auf Ihrem Laptop gespeichert ist. Eines Nachts bricht hinterhältige Hannah in Ihr Haus ein, öffnet Ihren Laptop, verschafft sich Zugang zur Ihrem Wallet und überweist Ihre Bitcoin auf ihr Wallet. Dann platziert sie alle Dinge wieder so, wie sie sie vorgefunden hat und rennt aus dem Haus.

Es steht auβer Frage, dass sich Suzan des Hausfriedensbruchs, Einbruchs, unbefugten Zugangs zu einem Computer und anderer Vergehen schuldig gemacht hat. Aber hat sie „Ihre Bitcoin gestohlen? Um zu bestimmen, ob dies tatächlich der Fall ist, müssen wir herausfinden, wer ihr ursprünglicher Eigentümer war.

“SIE HABEN EINIGE RECHTE, UM ZU KONTROLLIEREN, WIE DER LEDGER IN DEN SPEICHERN DER PRIVATEN COMPUTER VIELER LEUTE DARGESTELLT WIRD. UND DA IHRE COMPUTER IHR EIGENTUM SIND UND DU DEINE COMPUTER ABER NICHT, HAST DU KEIN RECHT, IHNEN ZU SAGEN, WIE SIE DEN AUF IHREM COMPUTER GRESPEICHERTEN LEDGER ZU AKTUALISIEREN HABEN.” 

Naiv würde dies bedeuten, dass Suzan „Ihre“ Bitcoin zurückgeben müsste (plus Schadensersatz). Aber was, wenn sie sie schon ausgegeben hätte? Wären Bitcoin Miners verpflichtet, auf der Blockchain zum Punkt vor dem Diebstahl zurückzukehren, wodurch eine neue Fork/Gabel entsteht? Gemäβ der in diesem Artikel verfolgten Auffassung wäre dies eine unhaltbare Idee. Eine besser Lösung wäre es, dem Opfer den Geldwert der Bitcoin zum Zeitpunkt des Diebstahls zu geben. (Der „Geldwert“-Ansatz würde auch dann funktionieren, wenn Bitcoin das am meisten akzeptierte Tauschmittel werden würde.) 

Ein letztes Problem: Was wäre, wenn jemand durch reines Glück Ihren privaten Zugangscode korrekt errät, sich damit Zugang zum Wallet auf Ihrem Laptop verschafft und die Bitcoin nach Belieben ausgibt? Dieser jemand hätte weder ein Eigentumsdelikt begangen, noch ein Bitcoin-Delikt. Er hätte die Protokollregeln befolgt, aber mit dem gleichen Resultat als hätte er die Bitcoin „gestohlen“.

Der Rechtstheoretiker Konrad Graf hat einen interessanten Ansatz dazu: Er betrachtet dieses Problem analog zu dem eines Geschäftsmannes, der den Businessplan eines Konkurrenten kopiert und damit Marktanteile gewinnt. Graf sagt dazu Folgendes: 

Der Geschäftsmann Dan beobachtet die effizientere Arbeitsmethode seines Rivalen Tim von der anderen Straβenseite und beginnt sie nachzuahmen. Tim behauptet, er habe durch den „Ideendiebstahl“ an Umsatz, Marktanteilen und Geschäftswert eingebüβt. Tim hatte den Ruf als Marktführer. Nun ist er einer unter vielen Konkurrenten, wie Dan, und Dan ist daran schuld. Tim hat nicht nur Marktanteile verloren, sondern auch an gutem Ruf.

Tims Rechtsanspruch müsste gemäβ der Grundsätze der handlungsorientierten Eigentumstheorie abgewiesen werden, weil die Arbeitsmethode, die Dan beobachtet und nachgeahmt hat, an sich kein Eigentum sein kann. Eine Idee oder Meinung ist kein Konkurrenzprodukt. Dan hat Tims Eigentumsrechte in keiner Weise beeinträchtigt oder verletzt. Dan hatte Tim von einem Ort aus bebachtet, der Tim nicht gehört und später bestimmte Handlungsweisen nachgeahmt, die er beobacht hatte. Keine dieser Handlungen stellt eine Verletzung von Tims Eigentumsrechten dar. 

Damit gehört Ihnen „Ihre“ Bitcoin gewissermaβen nur, weil nur Sie das Passwort kennen, um sie zu überweisen. Nichts sonst an Bitcoin kann Eigentum im wirtschaftlichen Sinn sein: Sie ist ein Informationsmuster und auf viele Eigentümer verteilt, welche anderen Personen gehören. Daraus folgt, dass ein rechtliches Eigentum an Bitcoins unmöglich ist, da dies Pflichten von Personen voraussetzt, die Sie nicht kennen und mit denen Sie auch keine Verträge eingegangen sind. Die schockierende, aber notwendige Schlussfolgerung lautet daher: Wenn ein rechtliches Eigentum an Bitcoins nicht möglich ist, dann kann auch niemand deren Diebstahls beschuldigt werden.

Um zum Beginn des Artikels zurückzukommen: Es ist noch viel Arbeit zu tun, um die rechtlichen Grundsätze hinter Bitcoin zu verstehen.


Quellen:

Mises, Ludwig von. Socialism. P. 37 https://cdn.mises.org/Socialism%20An%20Economic%20and%20Sociological%20Analysis_3.pdf

Kinsella on Liberty podcast: Episode 233 http://www.stephankinsella.com/paf-podcast/kol233-mises-uk-bitcoin-ownership/?fbclid=IwAR3RsRhJ9h8KKoAe95WG4wVfBqFIc4JLTEtmTDxdwsI4gcS_eqmgDd_dGeM

Graf, Konrad (2015) Are Bitcoins Ownable? Ownable?https://static1.squarespace.com/static/5720adbdc6fc0891cbcce17c/t/580e138c2994ca6771b9c135/1477317533610/Are%2BBitcoins%2BOwnable%2BBook%2BFree%2BPDF%2B5Nov2015.pdf