Steuerliche Relevanz Digitaler Vermögenswerte in Deutschland und Österreich

Dieser Artikel ist Teil 1 einer Analyse zur unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von digitalen Vermögenswerten und Kryptowährungen in den deutschsprachigen Ländern. Behandelt werden dabei drei Arten von qualifizierten Anlegern mit drei verschiedenen Produkten, in die diese Anleger investieren. Teil 1 setzte sich mit Liechtenstein und der Schweiz auseinander, während sich Teil 2 nun auf Deutschland und Österreich beziehen wird.

Der Sachverhalt bleibt dabei bis auf die Wohnsitze immer derselbe. Als erstes haben wir Lisa, die ein Vermögen in Höhe von 10 Millionen CHF besitzt und schriftlich erklärt hat, dass sie als qualifizierter Anleger betrachtet werden möchte. Diese 10 Millionen sind Privatvermögen. Ihre Schwester Sara hat keine solche Erklärung abgegeben, besitzt aber den gleichen Geldbetrag. Sie gilt nicht als qualifizierte Anlegerin. Ferner gibt es Paul. Paul besitzt ein Vermögen in Höhe von 20 Millionen Franken, die Hälfte davon ist über eine juristische Person investiert: Paul’s Road to Happiness AG. Schliesslich gibt es die Bank CryptInvest AG, die eine juristische Person ist und Crypto-Asstes im Namen ihrer Kunden kauft. CryptInvest verfügt über ein Vermögen von CHF 50 Millionen und bekommt für jede Investition des Vermögens ihrer Kunden eine Provision in Höhe von 1% des investierten Betrags. Darüber hinaus berechnet die Bank 1% des realisierten Kapitalgewinns bei Verkauf eines Vermögenswertes.

Lisa, Sara und Paul wollen 10% ihres Vermögens in Bitcoin investieren und erwarten einen Anstieg der Investition um 50%. Sie sind sich jedoch nicht sicher, ob sie diesen Betrag direkt, über einen AIF oder ein Zertifikat, investieren sollen. Ein AIF-Fonds ist eine sogenannte kollektive Anlageform, die Kapital von mehreren Investoren aufnimmt, um es in Übereinstimmung mit der jeweiligen Investitionsstrategie und mit dem Ziel Profit für die Investoren zu erwirtschaften zu investieren.39 Ein Zertifikat stellt dagegen den Nachweis des Eigentums an einer finanziellen Sicherheit wie einer Anleihe oder Aktie eines Unternehmens dar. Es hängt dabei direkt von der Wertentwicklung eines Basiswertes ab.40 Es wird zudem davon ausgegangen, dass sie die Bitcoin verkaufen werden, sobald sie um 50% gestiegen ist.

Darüber hinaus müssen sie beim Vergleich der Anlagemöglichkeiten die vorgesehene Haltedauer des Vermögenswertes berücksichtigen.

Wohnsitz in Deutschland

Lisa und Sara

Lisa und Sara haben ihren Wohnsitz in Deutschland. Zunächst kann festgestellt werden, dass in Deutschland keine Vermögenssteuer existiert. Es muss nur die Einkommenssteuer untersucht werden, um zu prüfen, ob es eine mögliche Steuerschuld aus dem Besitz und Verkauf von Bitcoin gibt. Wie oben erläutert, betrachtet Deutschland Bitcoin als digitales Privatgeld. Daraus folgt, dass der Verkauf von Bitcoin als privates Spekulationsgeschäft eingestuft wird. Gemäß §23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist der Verkauf von Bitcoin steuerfrei, wenn der Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung mehr als ein Jahr beträgt.43 Es gibt jedoch eine Ausnahme: Sind laufende Einkünfte mit dieser digitalen Währung erzielt worden, unterliegen die Einkünfte der Besteuerung zum persönlichen Steuersatz zuzüglich eines Solidaritätszuschlags. Zusätzlich wird die Spekulationsfrist auf zehn Jahre verlängert, da das Vermögen als Einnahmequelle diente. Veräußern Lisa oder Sara Bitcoin innerhalb eines Jahres nach dem Erwerb, müssen sie den Veräußerungsgewinn mit ihrem persönlichen Steuersatz versteuern, wenn die Freigrenze von 600 € überschritten wird. Wenn der Gewinn von € 500.000 ihr einziges Einkommen ist, müssten sie ihn in diesem Falle mit einem Steuersatz von 45% besteuern und € 17.078,4 abziehen, was zu einer Steuerschuld von € 207.921,6 führt.44 Der Betrag von € 17.078,4 muss abgezogen werden, da die Formel zur Berechnung der Steuerschuld — im Falle eines zu versteuernden Einkommens von über € 270.501 — folgendermassen lautet: 0,45 × x − 17.078,4 (Stand 2020). Außerdem ist ein Solidaritätszuschlag von 5,5%, hier 11.435,69 €, zu entrichten.

Würden sie dagegen in ein Zertifikat investieren, würden sie für beides, die Kapitalerträge aus dem Verkauf des Zertifikats und die laufenden Erträge, Quellensteuer in Höhe von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag von 5,5 % auf die Quellensteuer zahlen. Die Dauer des Besitzes des Zertifikats hat keinen Einfluss auf die Steuerpflicht. Gleiches gilt für den Fall, dass sie in einen AIF investiert haben. Dies würde zu einer Steuerschuld von 131.875 € führen. Somit ist im Falle eines hohen Einkommens aus Kapitalgewinnen eine Investition über ein Zertifikat oder einen AIF vorteilhafter.

Paul’s Road to Happiness AG

Die Investition von Paul gilt als Investition in das Geschäftsvermögen seines Unternehmens. Daher gibt es kein Einkommen aus privaten Verkäufen, sondern nur aus kommerziellen Geschäften. Die Veräußerungsgewinne sind als Einkünfte der Paul’s Road to Happiness AG einzustufen und mit einem Körperschaftsteuersatz von 15% zuzüglich Solidaritätszuschlag von 5,5% der Körperschaftsteuer zu versteuern. Dies führt zu einer Steuerschuld von 158.250 €. Daran ändert sich nichts, wenn Paul das Geld über ein Zertifikat oder einen AIF anlegt, da die Einkünfte nach wie vor als Einkünfte der AG aus gewerblicher Tätigkeit gelten.

Hinzu kommt die Gewerbesteuer, die ebenfalls auf das zu versteuernde Einkommen erhoben werden muss. Der Steuersatz beträgt 3,5%. Addiert werden muss der kommunale Hebesatz, der zwischen 200% und 490% liegt, mit einem Durchschnittssatz von 380%, und auf die 3,5% aufgeschlagen wird. Dies führt zu einem Steuersatz von mindestens 7%. Es resultieren damit Steuern aus der Gewerbesteuer von mindestens 70.000 €. Wenn der Hebesatz der Gemeinde höher ist, erhöht sich gleichermaßen die Steuerschuld.

In Bezug auf die Mehrwertsteuer gibt auch Deutschland an, dass der Umtausch von konventionellen Währungen in Bitcoin und umgekehrt als steuerpflichtige sonstige Leistung einzustufen ist, jedoch als steuerfrei qualifiziert, wenn er als Zahlungsmittel verwendet wird.45

CryptInvest AG

Auch die CryptInvest AG unterliegt mit ihren Einkünften der Körperschaftssteuer. Daher unterliegen die Einkünfte aus der anfänglichen Anlagetätigkeit und die Einkünfte aus der Beteiligung an den Gewinnen der Körperschaftsteuer von 15% zuzüglich einem Solidaritätszuschlag von 5,5%. Dies führt zu einer Steuerschuld von 11.868,75 €. Wie bei der Paul’s Road to Happiness AG ergibt sich auch bei der Anlage des Geldes über ein Zertifikat oder einen AIF kein anderes Ergebnis, da die erwirtschafteten Erträge als Einkünfte der CryptInvest AG aus gewerblicher Tätigkeit gelten.

Zudem ist die CryptInvest AG gewerbesteuerpflichtig. Da sie ein zu versteuerndes Einkommen von € 75.000 hat, beträgt die Gewerbesteuerschuld mindestens € 5.250.

Mit Blick auf die Umsatzsteuer besteht keine Steuerschuld für die Erstinvestition des Kundengeldes und für die Kapitalgewinne als Vermittlung von Finanzanlagen, denn auch die auf dieser Tätigkeit beruhenden Erträge sind steuerfrei.

Wohnsitz in Österreich

Lisa und Sara

Lisa und Sara haben ihren Wohnsitz in Österreich. Ähnlich wie in Deutschland wird die Investition in Bitcoin als ein Tausch von Vermögenswerten betrachtet. Wenn es keine Zinserträge aus dem Krypto-Vermögenswert gibt, wie es hier der Fall ist, muss der Verkauf des Vermögenswertes mit dem persönlichen Steuersatz besteuert werden, solange der Zeitraum zwischen dem Erwerb und dem Verkauf weniger als ein Jahr beträgt. In diesem Fall handelt es sich um einen spekulativen Handel. Außerdem muss der Veräußerungsgewinn mehr als 440 € betragen. Liegt er unter dieser Schwelle, besteht keine Steuerpflicht. Der persönliche Steuersatz kann bis zu 55% betragen. Verkaufen Lisa und Sara die Bitcoins nach mehr als einem Jahr Haltedauer, müssen sie keine Steuern auf den Kapitalgewinn zahlen.

Wenn sie dagegen über ein Zertifikat oder einen Fonds investieren, müssen sie Kapitalertragssteuer zahlen. Der Steuersatz beträgt 27,5%. Da sie Kapitalgewinne in Höhe von 500.000 € erzielen würden, hätten sie eine Steuerschuld von 137.500 € bei Investition über ein Zertifikat oder einen Fond. Die Dauer des Besitzes des Zertifikats oder Fonds hat keinen Einfluss auf die Steuerschuld.

Paul’s Road to Happiness AG

Die Bitcoins sind Vermögenswerte des Unternehmens und werden daher als Geschäftsvermögen betrachtet. Das Einkommen aus dem Verkauf dieses Vermögens ist Einkommen aus der Geschäftstätigkeit und muss mit einem Steuersatz von 25% besteuert werden, was zu einer Steuerschuld von 25.000 € führt. Wurde die Investition über einen AIF oder ein Zertifikat getätigt, ist die Kapitalertragssteuer von 27,5% zu entrichten. Dies würde zu einer Steuerschuld von 275.000 € führen.
Ähnlich wie in Deutschland gibt es keine Mehrwertsteuer, da der Austausch von gesetzlichen Angeboten an Bitcoin nach dem EuGH eine nicht steuerpflichtige Tätigkeit ist.46

CryptInvest AG

Die CryptInvest AG unterliegt als Kapitalgesellschaft mit ihren Einkünften der Körperschaftssteuer von 25%. Die Einkünfte aus der Anlagetätigkeit sind daher mit 25% zu versteuern, was zu einer Steuerschuld von 12.500 € führt. Die Einkünfte aus den Provisionsn sind dagegen mit 27,5% zu besteuern, was zu einer Steuerschuld von 6.875 € führen würde. Insgesamt hat die Körperschaft eine Steuerschuld von 19.375 €. Es würde keinen Unterschied machen, ob die Investition über einen AIF oder ein Zertifikat erfolgt, da die Einkünfte aus dieser Investition immer noch als Einkünfte aus der normalen Geschäftstätigkeit der Körperschaft angesehen werden und mit 25% und 27,5% besteuert werden.

Ähnlich wie in Deutschland ist die Vermittlung von Finanzanlagen von der Mehrwertsteuer befreit. Somit besteht auch für die CryptInvest AG hier keine Mehrwertsteuerpflicht.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Liechtenstein die niedrigsten Steuern für das Bitcoin-Investment für natürliche und juristische Personen aufweist, gefolgt von der Schweiz, wo die Steuerlast jedoch vom jeweiligen Kanton abhängt. Deutschland und Österreich dagegen haben die höchsten Steuersätze. Es ist jedoch zu beachten, dass es in Liechtenstein und der Schweiz eine Vermögenssteuer gibt, die zu einer hohen Steuerlast führen kann, wenn hohe Beträge von Kryptowährungen gehalten werden. In den meisten Fällen gibt es keine Vorteile zwischen dem Besitz eines Zertifikats oder eines AIFs. Wenn der Anleger jedoch seinen Wohnsitz in Deutschland oder Österreich hat und einen digitales Vermögenswert weniger als ein Jahr hält, ist es vorteilhaft, wenn er in einen AIF oder ein Zertifikat investiert, solange sein persönlicher Steuersatz in Österreich über 27,5% und in Deutschland über 26,375% liegt. Hält er ihn länger als ein Jahr, ist es besser, eine Direktinvestition zu wählen. Die Steuerlast hängt jedoch immer von den Variablen Anlagehorizont und Steuersatz ab, der wiederum vom gesamten persönlichen Einkommen abhängt.

43 EStG §23 para. 1 sentence 1 no. 1, zugegriffen Juli 2020 unter https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__23.html.
44 EStG § 32a para 1 no. 5.
45 BMF, 2018, Umsatzsteuerliche Behandlung von Bitcoin und anderen sog. virtuellen Währungen;
EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2015, C-264/14, Hedqvist.
46 EuGH 22.10.2015, Rs C-264/14, Hedqvist; UStR 2000 Rz 759).

Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem über 70 Seiten umfassenden Forschungsbericht Discovering Institutional Demand for Digital Assets, der vom Crypto Research Report und Cointelegraph Consulting mitherausgegeben wird. Der Bericht wurde von acht Autoren erstellt und von SIX Digital Exchange, BlockFi, Bitmain, Blocksize Capital und Nexo unterstützt.